Autor*innen-Porträts

Christoph Friedrich Heinle

1. März 1894 – 8. August 1914

Autor und Ort

Christoph Friedrich Heinle kam mit zwölf Jahren nach Aachen, als sein Vater 1906 Regierungsrat in der Stadt wurde. Dort besuchte er das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium (das heutige Einhard-Gymnasium), wo er Philipp Keller kennenlernte, über den er Anschluss an den Kreis expressionistischer Dichter fand, dem unter anderen Walter Hasenclever, Karl Otten und Ludwig Strauß angehörten. Die Familie wohne zunächst in der Kurfürstenstraße 46, später in der Bismarckstraße 94, beide Häuser liegen nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt im Frankenberger Viertel.

Leben und Werk

Christoph Friedrich Heinle wurde am 1894 als Sohn von Margarethe und Friedrich Heinle im rheinland-pfälzischen Mayen geboren. Der Vater war Regierungsassessor am dortigen Landratsamt. 1895 wechselte er zur Regierung in Arnsberg, wo der Sohn die Volksschule und das Königliche Gymnasium Laurentianum besuchte. 1900 wurde der Vater Regierungsrat und war in dieser Funktion ab 1906 in Aachen tätig. Heinle besuchte das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium (das heutige Einhard-Gymnasium), wo er Philipp Keller kennenlernte, über den er Anschluss an den Kreis expressionistischer Dichter fand, dem Walter Hasenclever, Karl Otten und Ludwig Strauß angehörten. 

Ostern 1912 machte Heinle Abitur und nahm zum Sommersemester das Studium der Deutschen Philologie in Göttingen auf. Heinle besuchte auch Lehrveranstaltungen in Geschichte, Kunst und Philosophie und engagierte sich in der studentischen Organisation „Freischar“, die mit Lesungen und Diskussionen das studentische Leben bereichern wollte. Im Göttinger Musenalmanach auf das Jahr 1912 erschienen seine ersten Gedichte. Ein Jahr später wechselte er an die Universität in Freiburg, wo auch Philipp Keller studierte. Ihm hatte Heinle einen Zyklus von vierzehn Gedichten gewidmet, die von melancholischen Naturbildern geprägt sind. Diese Stimmung dominiert auch seine übrigen Gedichte, die abgesehen von drei Oden alle Reimbindung und oft Klangassonanzen aufweisen.

Gleich nach seiner Ankunft in Freiburg im April 1913 lernte Heinle Walter Benjamin kennen. Zwischen beiden entwickelte sich eine Freundschaft, die im Zeichen der pädagogischen Reformideen von Gustav Wyneken stand; beide begeisterten sich außerdem für die Dichtung Stefan Georges und tauschten sich über eigene poetische Versuche aus. Benjamin konkurrierte in Freiburg mit dem gemeinsamen Dichterfreund Philipp Keller um die führende Rolle in der „Jugendbewegung“, was nicht ohne Spannungen blieb.

Zum Wintersemester 1913 gingen Heinle und Benjamin an die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin (die heutige Humboldt-Universität), wo Heinle sich für Altphilologie einschrieb und bald dem Präsidium der „Freien Studentenschaft“ angehörte. Aufgrund interner Kämpfe um deren Zeitschrift Anfang, in der sein Aufsatz Meine Klasse erschienen war, wurde Heinle in Pfemferts Zeitschrift Die Aktion persönlich attackiert. Diese Demütigung mag zusammen mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs bei Heinles Suizid, den er 1914 mit seiner Freundin Friederike (Rika) Seligson beging, eine Rolle gespielt haben.

Benjamin verarbeitete Heinles Tod in den folgenden Jahren in einem Zyklus von 50 Sonetten, der erst 1981 entdeckt wurde. Er unternahm mehrere vergebliche Versuche, Heinles Dichtung zu publizieren. Der Nachlass, den er verwahrte, ging verloren. Seit 1967 wurden 75 Gedichte Heinles aus Nachlässen von Freunden veröffentlicht.

Von Jürgen Egyptien

Abend am Fenster (1913)

Licht umspielten dich Gedanken –
Schüsse dröhnen dumpf und nah,
Dass die Fenster klirrend wanken:
Tiefverdunkelt stehst du da:

Leise hellen sich die Scheiben,
Drin die Lampe mild erscheint,
Au verschwommnen Schatten treiben
Kleine Lichter wie verweint.

(zitiert nach: Christoph Friedrich Heinle: Lyrik und Prosa. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2016.)


Ohne Titel (1913)

Es steigt der Tag, aus wirrem Traum, befreit,
Zu schlanker Zier, gleich angeschlagnem Ton
Der sich erhält, dem Ohr verloren schon,
Und lehnt uns süß in bunte Helligkeit,

Indes wir trauern um der Nächte Tod
Wo zwischen Bäumen in verglastem Strahl
Die Stadt, gekrönte, Funken sonder Zahl
Und flammender Basteien Gipfel bot.

Wir schlafen lang ins tiefe Abendrot
Und gehen aus, bis in die kühlste Flut
Der Leib versinkt und nun getröstet ruht
In leichter Wellen mildem Spiel und Tod.

(zitiert nacht: Christoph Friedrich Heinle: Lyrik und Prosa. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2016.)