Autor*innen-Porträts

Philipp Keller

19. Dezember 1891– 20. Mai 1973

Autor und Ort

Der Arzt und Schriftsteller Philipp Keller wurde 1891 in Aachen geboren. Ab 1901 besuchte er das Königliche Kaiser-Wilhelm-Gymnasium, das heutige Einhard-Gymnasium, wo er 1910 das Abitur machte. Nach Stationen in Leipzig und Freiburg kehrte er 1933 nach Aachen zurück, wo er in der Wilhelmstraße 48 (später Nr. 12), unweit des Bahnhofs, eine dermatologische Praxis eröfffnete, die er bis 1971 betrieb. Er wohnte bis zu seinem Tod 1973 in einem Haus in der St. Vither Straße 19 im Ortsteil Steinebrück.

Leben und Werk

Reiner Joseph Hubert Philipp Keller wurde am 19. September 1891 als ältester Sohn eines Kaufmanns in Aachen geboren. Zum Ende seiner Schulzeit fungierte der literaturbegeisterte Keller als Schriftleiter für den Aachener Almanach, eine Sammlung frühexpressionistischer Texte, in der unter anderem Walter Hasenclever und Karl Otten vertreten waren. Im Sommersemester 1910 begann er das Studium der Philosophie in München, wechselte aber bald zur Medizin und nach Leipzig, wo er 1911 mit Hasenclever in nähere Verbindung kam und Kontakt zum Verleger Ernst Rowohlt fand. Bei Rowohlt erschien dann 1913 Kellers Roman Gemischte Gefühle, der von den Folgen einer ungewollten Schwangerschaft für eine Kleinbürgerstochter handelt. Im selben Jahr war Keller mit einem Beitrag in Kurt Pinthus‘ Kinobuch vertreten. Der in dieser Zeit entstandene Roman Ärmliche Verhältnisse, in dem eine Mutter und ihre beiden Töchter nach dem Tod des Ehemanns und Vaters eine eigene wirtschaftliche Existenz aufbauen müssen, wurde erst 1994 veröffentlicht.

Keller war im Ersten Weltkrieg in Frankreich und an der Ostfront im Einsatz. Sein Medizinstudium setzte er 1916 in Freiburg fort, wo er 1917 promoviert wurde und die Approbation erhielt. Er verfolgte dort weiter seine ärztliche Laufbahn und unterbrach die Arbeit an einem dritten Roman. Keller habilitierte sich 1923 mit einer Untersuchung über die Wirkung von Ultraviolettstrahlung auf die menschliche Haut und wurde 1925 Oberarzt an der Hautklinik der Universität Freiburg.

Ende 1933 wurde Keller wegen seiner Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) aus dem Dienst entlassen. Er kehrte nach Aachen zurück, wo er 1934 eine private hautärztliche Praxis eröffnete. Er trat 1937 der NSDAP und dem NS-Ärztebund bei und übernahm die Funktion eines Luftschutzarztes. Nach Kriegsende wurde Keller entnazifiziert und leitete als Chefarzt und später als Ärztlicher Direktor die Städtische Hautklinik bis zu seiner Pensionierung 1961. Im folgenden Jahr erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Er war 1955 Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, der er von 1958 bis 1965 vorstand. Am 22. Mai 1973 starb Keller in Aachen.

Von Jürgen Egyptien

Die Seuche (Auszug aus Filmexposé, 1913)

Der Wasserspiegel lag ganz ruhig und auf dem Boden war der Mond wie ein verborgener Schatz versenkt. Alexander vereinigte einige Holzscheite, die man dort aufgestapelt hatte, indem er sie mit Schnüren verband, lud die Leiche und einige Steine auf das Floß, sprang selbst hinauf und ruderte sich mit beiden Händen der Mitte des Sees zu. Das Gefährt wankte und bebte und war von dem Wasser fast ganz überströmt, und als Alexander sich bewegte, um die Steine an dem Linnen zu befestigen, schlug es um: Steine und Leiche versanken und Alexander schwamm zum Ufer zurück. Das Wasser zitterte in leichten Wellen und das Bild des Mondes schwankte, als ob Fische den goldenen Schatz in der Tiefe umspielten. 

(...)

Er setzte sich an den Rand, warf achtlos Kiesel und sah den Kreisen zu, die daraus erblühten, aber seine Gedanken gingen fieberhaft, doch klar und sein Herz sprengte fast der Hass gegen die Seuche, gegen den Tod. Von diesem Gefühl ließ er sich so hinreißen, dass er aufsprang und wilde Worte und Flüche in die Nacht jagte, dann eilte er heim. Ebenso geschah es am nächsten Tage und in der folgenden Nacht: er schlief übermüdet, solange es hell war und mit dem Dunkel ging er zum See.

(zitiert nach: Philipp Keller Lesebuch. Nylands Kleine Rheinische Bibliothek, Bd. 8, Edition Virgines, Düsseldorf 2015, S. 12.)