Autor*innen-Porträts

Klas Ewert Everwyn

10. März 1930 – 16. Januar 2022

Klas Ewert Everwyn
© Brigitte Friedrich / Süddeutsche Zeitung Photo

Autor und Ort

Klas Ewert Everwyn wurde 1930 in Köln geboren und lebte ab 1949 in Düsseldorf, wo er zunächst als Angestellter bei der Polizei arbeitete. Von 1956 bis 1971 war er städtischer Beamter in Neuss und leitete dort zehn Jahre lang das Sportamt. Danach stand er bis 1980 im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. In dieser Zeit verkehrte er in Szenekneipen wie Fatty's Atelier und dem Sassafras, wo er auf Gleichgesinnte, unter anderem Mitglieder der Gruppe 61, traf. 1981 beendete er seine Beamtenlaufbahn und zog als freier Schriftsteller nach Monheim am Rhein. Sein wohl bekanntestes Werk ist Der Dormagener Störfall von 1996, erschienen 1983, in dem er von einem fiktiven Chemieunfall im Bayer-Werk erzählt, basierend jedoch auf einem tatsächlichen Vorfall. Der Konzern verklagte Everwyn mehrfach wegen Verleumdung und erwirkte, dass die ersten Auflagen des Buches nur mit Schwärzungen etlicher Passagen erscheinen durften. Klas Ewert Everwyn starb 2022 in seiner Wahlheimat Monheim. Gewohnt hatte er zuletzt in der Lindenstraße 11.

Leben und Werk

Klas Ewert Everwyn wurde 1930 als Sohn eines aus Ostfriesland stammenden Vaters (daher sein Name) in Köln geboren. Ab 1949 lebte er in Düsseldorf, arbeitete hauptberuflich in der öffentlichen Verwaltung und spielte als Amateur-Fußballer bei Fortuna Düsseldorf, begann aber schon früh mit seiner eigentlichen Berufung, dem Schreiben von Erzählungen, Romanen, Hörspielen und Jugendbüchern. Sein erster Roman, Die Leute vom Kral, erschien 1961, dem in rascher Folge drei weitere folgten: die Tetralogie Roman einer Landschaft (des Oberbergischen) nach William Faulkners Vorbild.

1969 gründete er die Düsseldorfer Sektion des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS). Everwyn widmete sich danach vermehrt der Arbeit an Hörspielen; von verschiedenen Rundfunkanstalten wurden insgesamt 17 davon realisiert. Sein Arbeitsgebiet verlagerte sich anschließend auf das Jugendbuch. Fremde Kaiser und kein Vaterland wurde 1986 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie dem Preis der GEW ausgezeichnet und brachte ihm die Aufnahme in die Ehrenliste des Gustav-Heinemann-Friedenspreises ein. Er erhielt den Förderpreis des Landes NRW für Beschreibung eines Betriebsunfalls und den Dormagener Literaturpreis für Der Dormagener Störfall von 1996

Ab 1985, bereits in Monheim am Rhein wohnend, wandte sich Everwyn dem historischen Roman zu; zuletzt erschienen Die unerfüllten Wünsche des Kurfürsten Johann Wilhelm (2009), Deutzer Freiheit oder ein Offenbacher in der Unterwelt (2010), Immermanns Tafelrunde (2011) sowie Der Opfergang des Polizisten Franz Jürgens (2015), eine Novelle, die Diskussionen auslöste um die Frage, wie viel Freiheit sich ein literarisches Werk  bei der Ausgestaltung einer Person der Zeitgeschichte nehmen darf. Er schloss sein Werk ab mit der dokumentarischen Erzählung DONNERSTAGS bei Fatty, KARFREITAG zur Gruppe 61 (2016), ein Buch der Erinnerungen an die in der Düsseldorfer Künstlerkneipe und Malerpinte Fatty’s Atelier teils stammtischenden Schriftstellergruppierungen, namentlich u.a. an Ingrid Bachér, Dieter Forte, Max von der Grün, Rolf Bongs, Hans Peter Keller, die Gruppe 61 um Fritz Hüser und den legendären Verleger der Eremitenpresse V. O. Stomps

Michael Serrer, Leiter des Literaturbüros NRW, notierte in seinem Nachwort zum Ehrenwort-Auswahlband Schicksal eines Geschichtenerzählers, Everwyn zum 75. Geburtstag gewidmet: „Was wäre die rheinische Literatur ohne Klas Ewert Ewerwyn […] Er bezieht als Erzähler wie als Mitbürger immer wieder deutlich Position. Und so ist nicht nur seine Schaffenskraft legendär […]  sondern auch seine verbale Rauflust. Wenn er eine Sache für richtig erkennt, dann setzt er sich für sie ein, und dann will dieser Brausekopf mitunter nicht verstehen, dass andere anderer Meinung sind. Und doch hat sich Everwyn seit über 30 Jahren nicht für sich selbst, sondern für die gemeinsame Sache der Literatur eingesetzt“.

Als Widerständiger, der Wahrheiten suchte und auf seiner Sichtweise bestand, gab er sich gern knorrig, bisweilen in einem altertümelnden Sprachgewand formulierend, dabei grundiert von einem melancholisch-verzweifelten Humor, der gepaart mit einer lauten Lustigkeit daherkam – aber stets sehr menschlich und anteilnehmend. 

Am 16. Januar 2022 starb Klas E. Everwyn im Alter von 91 Jahren.

Von Georg Aehling

Der Dormagener Störfall von 1996 (Romanauszug, 1983)

Dann saßen sie sich wortlos in ihren Sesseln gegenüber, hatten die Gasmasken auf, und Gehrmann schüttelte ein ums andere Mal den Kopf. Jüsten fühlte sich unbehaglich, er wollte nach Hause. Also erhob er sich, zuckte wie hilflos mit den Schultern und gab Gehrmann ein Zeichen, daß er nun gehen werde. Gehrmann rührt sich nicht vom Fleck.

Als Jüsten in den Flur kam, schrillte dort das Telefon. Er nahm den Hörer ab und hörte, wie eine besorgte Männerstimme „Guten Abend, Herr Gehrmann“ sagte.

„Ich bin nicht Herr Gehrmann!“ schrie Jüsten aus Leibeskräften durch den Maskenfilter und wußte genau, daß ihn der andere nicht verstehen würde. Die Stimme fuhr fort: „Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Sohn bei einem Störfall im Werk zu Tode gekommen ist. Wir haben leider keine andere Möglichkeit, Ihnen diese Nachricht zu übermitteln.“

Da war Gehrmann bei ihm und entriß ihm den Hörer. Hier „Gehrmann“, sagte er, doch die sanfte männliche Stimme hatte sich schon zurückgezogen, hatte sich eingekapselt in einen geheimnisvollen Mechanismus.

(zitiert nach: Klas Evert Everwyn: Ehrenwort Bd. 3, edition virgines, Düsseldorf 2005, S.44f.)