Autor*innen-Porträts

Michael Horbach

13. Dezember 1924 – 1. November 1986

Michael Horbach

Autor und Ort

Michael Horbach wurde am 13. Dezember 1924 in Aachen, genauer in der Kleinmarschierstraße, ganz in der Nähe von Markt und Rathaus, geboren. Dort lebte seine Familie in den 20er und 30er Jahren. Horbach besuchte das Kaiser-Karls-Gymnasium, das älteste Gymnasium der Stadt, bevor er sich 1941 freiwillig zum Wehrdienst meldete. Nach dem Krieg kehrte er nach Aachen zurück. Später, Mitte der 1960er Jahre, zog er mit seiner Frau Ur­su­la Schaa­ke, ebenfalls Schriftstellerin und unter dem Pseudonym Alexandra Cordes bekannt geworden, ins Siebengebirge. In die­sen Jah­ren schrieben bei­de zahl­rei­che Bü­cher. Die Köl­ni­sche Rund­schau betitelte das Paar in ei­nem Ar­ti­kel von 1971 als „Die Ro­man­fa­brik im Sie­ben­ge­bir­ge“.

Leben und Werk

Michael Horbach, in Aachen geboren, wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf, sein Vater war arbeitslos. Entsprechend seiner katholischen Erziehung wurde er Pfadfinder. Der Eintritt des Vaters in die NSDAP und seine Begabung ermöglichten ihm den Besuch des renommierten Kaiser-Karls-Gymnasiums. Dieses verließ er 1941, um sich freiwillig als Fahnenjunker zu melden, nachdem sein Vater an der Front vermisst wurde. 1936 war Horbach in die Hitlerjugend eingetreten. Die Erfahrungen an der Ostfront führten rasch zu einer vollkommenen Desillusionierung über den wahren Charakter des Nationalsozialismus. Seine Erlebnisse und Beobachtungen sind der Ausgangspunkt für sein literarisches Debüt Die verratenen Söhne (1957), das eines der eindrucksvollsten Beispiele für den „hard boiled“-Stil im deutschen Kriegsroman ist und in 18 Sprachen übersetzt wurde.

Im August 1945 kehrte Horbach nach Aachen zurück und beschloss unter der schockhaften Erkenntnis der KZ-Gräueltaten, als Journalist an der Aufarbeitung der Schuld mitzuwirken, die er auch als eigene empfand. Er besuchte die neu gegründete Aachener Journalistenschule, volontierte bei der ersten deutschen Nachkriegspresseagentur DENA in Bad Nauheim und stieg zum Korrespondenten der Associated Press in Bonn auf. Horbach spezialisierte sich als Journalist auf die westdeutsche Militärpolitik und die Wiederbewaffnung, die er kritisch sah. Diese Einblicke in die Bonner Politik verarbeitete er in dem Roman Gestern war der jüngste Tag (1959).

Nach dem Erfolg seines ersten Romans wurde Horbach kurze Zeit Ressortleiter beim stern, dann freier Schriftsteller, ohne die journalistische Arbeit aufzugeben. 1964 veröffentlichte er die umfangreiche Reportage Wenige. Zeugnisse der Menschlichkeit 1933-1945, mit der er als einer der ersten den sogenannten „Stillen Helden“ (Deutsche, die im Dritten Reich Juden geholfen hatten) ein Denkmal setzte. In seinen späteren Romanen, die manchmal kolportagehaft sind, behandelt Horbach immer wieder das Judentum und Israel (z. B. Nächstes Jahr in Jerusalem (1973); Kommando Grabeskirche (1981)).

Mit den Jahren wurde Horbach mehr und mehr von Depressionen getrieben und konnte nicht mehr arbeiten. Am 1. November 1986 tötete er seine Frau, die erfolgreiche Schriftstellerin Alexandra Cordes, mit der er seit 1955 zusammen war und seit Mitte der 70er Jahre auf einem Landgut im provenzalischen Châteauneuf-du-Pape lebte, und danach sich selbst.

Von Jürgen Egyptien

Der gestohlene Traum (Romanauszug)

Der alte Mann schaute dem Schnee zu, den tanzenden, wirbelnden Flocken, und er dachte an das Heilige Land, wo dieser weiße Staub genauso fein und silbern glänzte, vor den Mauern von Jerusalem. Aber dort war es kein Schnee, dort war es Sand. Der Sand der Wüste und der Sand der Zeit.

Er drehte den Docht der Leuchte noch tiefer, um besser nach draußen sehen zu können, denn die Pforte zwischen Garten und Allee hatte sich geöffnet, und eine Gestalt war eingetreten, den bloßen Kopf gegen den Wind gebeugt, Schnee auf den Schultern eines schwarz glänzenden Ledermantels. Der Mann kam zielbewusst auf die Haustür zu, und seine Schritte hinterließen deutlich sichtbare Abdrücke im frisch gefallenen Schnee. Rabbi Aron ben Galil, der in Galizien mit dem bürgerlichen Namen Aron Ganowitsch geboren war, löschte die Petroleumlampe, knipste das elektrische Licht an, das er immer noch als eine vulgäre Erfindung empfand, zog die Vorhänge zu und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Als er auf dem letzten Absatz war, klingelte es.

„Ich komme schon, ich bin schon da!“ rief er mit seiner Greisenstimme, die aber immer noch einen unerwartet vollen Gehalt und tiefe Stärke annehmen konnte, wenn er die Gebete sang.“

(aus: Der gestohlene Traum, München 1982, S. 7)