Autor*innen-Porträts

Moses Hess

21. Januar 1812 – 6. April 1875

Moses Hess
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Autor und Ort

Das Geburtshaus von Moses Hess stand in der Judengasse (Hausnummer 807) in Bonn, an der Nordseite der heutigen Kennedybrücke. Haus und Straße existieren seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. 2011 wurde der unmittelbar angrenzende Straßenabschnitt in Moses-Hess-Ufer umbenannt. Moses Hess starb 1875 in seiner Wahlheimat Paris, wurde jedoch auf eigenen Wunsch neben seinen Eltern auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Deutz beerdigt. Anfang der 1960er Jahre wurden seine sterblichen Überreste nach Israel überführt und auf dem Kinneret-Friedhof am See Genezareth beigesetzt. In Köln, wo Hess einige Jahre lebte und wirkte, erinnert heute eine Figur am Rathausturm und eine Straße in Stammheim an ihn.

Leben und Werk

Moses Hess setzte sich als Autor und politischer Aktivist für den Sozialismus ein, war an der Entstehung der deutschen Sozialdemokratie beteiligt und gilt als ein Vorreiter des Zionismus. Geboren wurde er am 21. Januar 1812 in Bonn. Er wurde − besonders durch den Einfluss des Großvaters − im traditionellen jüdisch-orthodoxen Glauben erzogen und besuchte keine öffentliche Schule. Als seine Mutter 1825 verstarb, zog Hess zu seinem Vater nach Köln und löste sich so vom strengen Großvater. Neben Jiddisch als Muttersprache brachte er sich autodidaktisch Deutsch und Französisch bei. 1837 konnte er dank seiner Fähigkeiten und trotz fehlendem Schulabschluss an der Bonner Universität Philosophie studieren. 

Bereits im selben Jahr veröffentlichte er anonym sein erstes Buch Die heilige Geschichte der Menschheit. Von einem Jünger Spinozas, in dem sich bereits kommunistische Gedanken und Forderungen offenbarten, die später weithin akzeptiert wurden. Er sprach sich unter anderem für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus, forderte die Aufhebung der gesellschaftlichen Klassen und betrachtete die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung als staatliche Aufgabe. 

Hess entschied sich gegen den akademischen Abschluss und wirkte stattdessen 1841 an der Gründung der „Rheinischen Zeitung“ in Köln mit. Als Redakteur lernte er Karl Marx kennen, der zwischenzeitlich die Redaktionsleitung innehatte, und verkehrte auch mit Friedrich Engels. Hess vermittelte sowohl Marx als auch Engels seine Theorien zum Sozialismus und Kommunismus. Doch nach einer Phase des intensiven Austauschs brach die Zusammenarbeit aufgrund unterschiedlicher politischer Ansichten und persönlicher Differenzen ab. 

1842 zog Hess nach Paris, wo er eine zweite Heimat fand. Er beschäftigte sich intensiv mit verschiedenen Naturwissenschaften und suchte nach universalen Gesetzen, die das Zusammenspiel von Natur und Gesellschaft erklärten.

Erst Anfang der 1860er Jahre widmete er sich vermehrt jüdischen Themen und veröffentlichte seinen berühmten Text Rom und Jerusalem, die letzte Nationalitätsfrage. Nach einigem Hadern mit seiner Religion vertrat er in darin die Ansicht, dass das Judentum nicht mehr nur als Religion verstanden werden solle, sondern auch als Nationalität, die ihren eigenen Staat benötige. Hess' Text wurde später zu einem der wichtigsten Werke des Zionismus. Er selbst erlebte die Verbreitung seiner Forderungen jedoch nicht mehr. 

Moses Hess starb am 6. April 1875 in seiner Wahlheimat Paris.

Von Leonie Bauerdick

Die heilige Geschichte der Menschheit. Von einem Jünger Spinoza's.

31.

Wo Einigkeit herrscht da ist Kraft, Leben, Freiheit. Mit der Zwietracht beginnt die Schwäche, der Tod, die Knechtschaft; mit ihr hört das Leben auf, und geht zu einem andern durch den Tod über. Unsre Zeit ist eine solche Übergangsperiode. – Nach den religiösen Kriegen des siebenzehnten Jahrhunderts ward der Keim der neuen Zeit gelegt; nach den politischen des neunzehnten ward er entbunden; nach der Verwirrung, der wir entgegen gehen, wird er als Wurzel selbstständig auftreten. Und die Mutter wird ersterben und erstarren; er aber wird fortleben und Früchte tragen. – Damit sich Niemand länger täuschen mag über das Heil der Zeit und durch Unwissenheit in das Verderben renne, haben wir die wesentlichen Bedingungen des heiligen Reichs hervorgehoben. Wir haben gezeigt, daß diese nicht in der Form der Regierung zu suchen seyen, daß die sociale Noth tiefer, daß sie in der Erblichkeit der Verdienste, im sogenannten historischen Rechte, in der Aristokratie, nicht aber in der sterbenden des Adels, sondern in der wachsenden des Geldes liege. Wer Ohren hat, der höre! – –

(aus: Moses Hess: Philosophische und sozialistische Schriften 1837-1850. Eine Auswahl. Hrsg. von Wolfgang Mönke, zweite, bearbeitete Auflage. Zweite Abtheilung: Die Zukunft als Folge dessen, was geschehen ist. Zweites Kapitel: Die uns bevorstehende Noth, als Vermittlerin der Grundlage des Reiches, S. 64f.)