Leben und Werk
Nicht vielen Schriftsteller*innen wird die Ehre zuteil, Thema in Werken anderer Autor*innen zu werden. Peter Baum aber, geboren 1869 in Wuppertal-Elberfeld, widmete die legendäre Dichterin Else Lasker-Schüler ein eigenes Poem, überschrieben mit seinem Namen. Darin bekennt die gebürtige Wuppertalerin, es sei stets wie Weihnachten gewesen, wenn der gute Freund, den sie mundartlich liebevoll „Pitter“ nennt, sie besucht habe. Und sie unterstreicht mit Ausrufezeichen, wie beide sich gemeinsam hätten freuen können. Diese so persönliche Hommage schrieb die Dichterin nach dem Tod des Freundes 1916. Peter Baum war im Ersten Weltkrieg auf einem Schlachtfeld in Lettland gefallen.
Baum hatte schon früh seine Wuppertaler Heimat verlassen und war nach Stationen in Heidelberg und Leipzig nach Berlin übergesiedelt. Dort stand er in enger Verbindung mit vielen Literat*innen der Avantgarde. Von 1892 bis zu deren Auflösung 1898 war er Mitglied der literarischen Gesellschaft „Tunnel über der Spree“, zu der einst auch Theodor Fontane gehört hatte. Mit Herwarth Walden, dem Herausgeber der damals bedeutenden literarischen Zeitschrift Der Sturm, die vor allem Texte des Expressionismus druckte, war Baum gut befreundet. Ebenso hielt er enge Verbindung zum Freundeskreis um Peter Hille, einer zentralen Persönlichkeit der Berliner Bohéme, der ein literarisches Kabarett gründete, zu dessen Beiträger*innen bekannte Autoren wie Erich Mühsam und auch Else Lasker-Schüler zählten.
Peter Baum schrieb Gedichte im expressionistischen Stil. Hervorgehoben sei der Band Schützengrabenverse, erschienen 1916. Entsprechend dem Titel thematisiert Baum in meist knapp gehaltenen und abgehackten Gedichten die Kriegserfahrung des Soldaten. Diese wird als sündhaftes Morden und schmerzliche Zerstörungswut verstanden und mischt sich mit der Sehnsucht nach der verlorenen Friedenszeit. Im Jahre 1908 war Baums Novellenband Im alten Schloss erschienen, der 2015 im Elsinor-Verlag neu aufgelegt wurde. Die Erzählungen kreisen um Sehnsüchte und Abgründe des menschlichen Lebens, um die Suche nach Sinn und Glück. Auch Romane hat Peter Baum verfasst, darunter den historischen Roman Kammermusik, der im Rokoko spielt. Vier Jahre nach seinem Tod würdigte der Rowohlt-Verlag Baums Werk mit einer zweibändigen Gesamtausgabe.
Von Ernst Müller
Schützengrabenverse
Eiserne Brücken, durch die Luft getragen,
Sind in der Nacht mit Lichtern ausgeschlagen.
Und der du Feind im fremden Graben stehst,
Im stillen Schnee in gleichen Träumen wehst.
Fremd zwischen Völkern, die sich mordend hassen,
Sind Menschen wir, die bei den Stirnen fassen.
Und über Schlangen, die die Tode schwingen,
Erhebt sich schweigend von uns gleiches Singen.
(aus: Peter Baum: Schützengrabenverse. Verlag Der Sturm, Berlin 1916.)
Spuk
Und der Große im weißen Bart nimmt den Knaben auf seinen Schoß und lehrt ihn mit Namen nennen die Wunder der Luft – die Vögel, die dicht an den grauen Wolkenwäldern dahingleiten, und all die anderen Tiere, die man fängt und jagt. Und er lehrt ihn mit Namen nennen die Sträucher, die ihre Finger zusammenschließen, wenn ein Wind kommt und die Schmetterlinge, die morgens ihre Kelche ausbreiten, wie kleine auffliegende Himmel.
Und dann baut er dem Knaben noch eine Welt über dieser Erde auf – eine Welt, die aus Klängen und Buchstaben, über unsere Flüsse und Wälder hinweg – ein Riesenbau – in die Luft steigt.
Und Hans lernt und faßt mit seinem morgenjungen und doch geschlechteralten Hirn alles, was ihm verwandt ist und läßt alles Fremde wieder fortfliegen, wie Vögel aus der flachen Hand.
Manchmal sieht ihn der Alte bekümmert an: Wir sind altes Geschlecht. Wir mögen uns nicht mehr mühen. – – –
Hans wird das ganze Leben – die Wälder, Felsen, Flüsse und Kinder – zum Märchen, er selbst zum Zauberer.
(aus: Peter Baum: Spuk. Concordia Deutsche Verlags-Anstalt, Berlin 1905.)