Autor*innen-Porträts

Armin T. Wegner

16. Oktober 1886 – 17. Mai 1978

Armin T. Wegner
© Armin T. Wegner Gesellschaft

Autor und Ort

Armin T. Wegner wurde am 16. Oktober 1886 in der damaligen Gustavstraße in Elberfeld, das heute zu Wuppertal gehört, geboren. 1935 wurde die Straße umbenannt in Von-der-Tann-Straße, dort ist seit 1986 am Haus Nr. 10 eine bronzene Gedenktafel für den „Dichter und unerschrockenen Kämpfer gegen das Unrecht“ angebracht. Unweit davon, in der Elberfelder Innenstadt, liegt der Armin-T.-Wegner-Platz, der ebenfalls anlässlich des 100. Geburtstags des Sohnes der Stadt umbenannt wurde. Wegner blieb nicht sehr lange in Elberfeld; als er drei war, wurde sein Vater, ein Eisenbeamter, nach Berlin versetzt. Seinem Werk und Erbe widmet sich seit 2002 die in Wuppertal gegründete Armin T. Wegner Gesellschaft.

Leben und Werk

Armin T. Wegner – geboren 1886 in (Wuppertal-)Elberfeld, gestorben 1978 im Exil in Rom – gehörte zu den frühen expressionistischen Dichtern, ehe er sich in der Weimarer Republik mit Prosawerken unter anderem dem orientalischen Milieu widmete und als erfolgreicher Reiseschriftsteller einen Namen machte. Neben seinem schriftstellerischen Werk ist mit Wegners Namen das mutige Eintreten für den Frieden, die Menschenrechte und ein tolerantes Mitein­ander der Kulturen verbunden: 1915 hatte Wegner, deutscher Sanitätsoffizier in der Türkei, trotz erheblicher Risiken für seine Person als Augenzeuge den von den Jungtürken entfesselten Völkermord an den Armeniern fotografisch dokumentiert. Anschließend machte er ihn in Deutschland und später in einem offenen Brief an den amerikanischen Präsidenten Wilson öffentlich – angesichts des deutschen Militärbündnisses mit der Türkei ein Politikum. Nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sich Wegner, unter anderem im „Bund der Kriegsdienstgegner“, als entschiedener Pazifist.

Im April 1933 beschwor er angesichts des „Judenboykotts“ Adolf Hitler in einem Brief, der Judenverfolgung Einhalt zu gebieten. Seine darin geäußerte Haltung, sich nicht „durch Schweigen zum Mitschuldigen“ machen zu wollen, wenn das Herz sich vor Entrüstung zusammenzieht, kann beispielhaft für Wegners Gesinnung und Zivilcourage stehen. In einer rechtsradikalen Umgebung als Pazifist denunziert, wurde er im August 1933 verhaftet. Vorübergehende KZ-Haft und Folter konnten seine Überzeugungen nicht brechen. Diese Erfahrungen und den Verlust der Heimat, den sein Weg ins Exil bedeutete, konnte Wegner nicht verwinden; mit der persönlichen Misere – auch der Entfremdung und Trennung von seiner ersten Ehefrau, der Dichterin Lola Landau – ging eine Schaffenskrise, zeitweise ein „Verstummen“, einher. Der Heimat entfremdet, lebte Wegner von 1936 bis zu seinem Tod in Italien, ab 1945 in zweiter Ehe mit der Künstlerin Irene Kowaliska.

In Deutschland bis heute weitgehend ignoriert oder vergessen, genießt Wegner weltweit besonders unter Armeniern und Juden hohes Ansehen. Als einer der wenigen nichtjüdischen Deutschen wurde Wegner 1967 von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem wegen des Einsatzes für die Juden „unter Gefährdung seines Lebens“ als einer der „Gerechten der Völker“ geehrt. 1968 würdigte man ihn auch in Armenien und verlieh ihm den hohen Orden des Heiligen Gregor. 1956 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, 1962 die höchste Auszeichnung seiner Geburtsstadt, der Eduard-Von-der-Heydt-Preis, verliehen. 1996 wurde Armin T. Wegners Asche nach Jerewan überführt, wo er ein Ehrenbegräbnis erhielt.

Von Christoph Haacker

Im Faltboot über den Geigensee (Auszug aus Reisebericht)

Auf dem freien Platz vor dem arabischen Kaffeehause in Tiberias entzündet sich das elektrische Licht. Die Wasserpfeifen gurgeln, schallend klingt das Schlagen der Steine auf den Brettspielen.

Aber auf einmal verlassen alle ihre Teegläser und Tische, um sich lauschend über das Geländer auf die Fläche des Sees zu neigen. Die arabischen Bootsführer heben verschlagen die neugierigen Köpfe über die Bordwand. Madame Capet, eine marokkanische Jüdin, die in dem weit über den See gebauten Stockwerk über dem Kaffeehause wohnt, tritt noch einmal auf den schmalen Balkon über dem Wasser.

Was ist das, was dort draußen im Dämmerlicht des halben Mondes, schmal wie ein Fisch, sich gespenstisch und eilend durch das Wasser bewegt? Es ist unser Klepper-Faltboot. Wir haben die Holzpaddeln eingezogen und unseren kleinen Benzinmotor in Gang gesetzt.

„Komm, komm!“ rufen die Stimmen uns lockend durch das Dunkel nach.

Tiberias verschwindet, das steinerne schwarze Tiberias, mit seinen weißgekalkten Moscheekuppeln vom Monde verzaubert. Licht ist um uns. Gebannt blicken wir in das unendliche Schweigen. Die Wasserfläche scheint wie von tausenden kleiner silberner Blätter bewegt, silbern sind die Luft und die Nebel des Wassers, als erhöhe auch über uns sich ein lautloser Wald glitzernden Laubs.

Immer weiter geleiten wir in den schimmernden See wie in die Seele der Träume selber.

(aus: Menorah. Jüdisches Familienblatt für Wissenschaft, Kunst und Literatur, 8. Jahrgang. Wien/Berlin 1930.)