Autor*innen-Porträts

Ludwig Soumagne

11. Juni 1927 – 22. Oktober 2003

Ludwig Soumagne
© Brigitte Friedrich / Süddeutsche Zeitung Photo

Autor und Ort

Ludwig Soumagne war einer der bedeutendsten niederrheinischen Mundartdichter und Neusser Kind. Er wurde in der Bahnstraße 38 im Stadtteil Norf geboren. In dem Haus befindet sich – bis heute – die Familienbäckerei, die Soumagne in den 50er Jahren von seinem Vater übernahm und über 30 Jahre lang führte. Dort beginnend werden heute auf 17 Tafeln entlang des Norfbachs ausgewählte Texte des Dichters in Dialekt und auf Hochdeutsch präsentiert. Bereits zu Lebzeiten benannte der Rhein-Kreis Neuss das internationale Mundartarchiv in Zons nach ihm. Soumagne bewohnte ab 1974 seine „Dichterklause“ auf der Museumsinsel Hombroich. Nach seinem Tod brachte die Stadt Neuss am Haupteingang des Kreishauses an der Oberstraße eine Gedenktafel an, die das Konterfei Soumagnes zeigt sowie den Anfang seines wohl berühmtesten Gedichts Litanei: „Häer, mer danke Dech!“ – „Herr, wir danken Dir!“

Leben und Werk

Der Mundartdichtung haftet das Etikett des Provinziellen an. Dass aber auch regional gebundene Sprache poetische Werke hervorbringen kann, hat im Rheinland ganz besonders der Neusser Bäcker- und Konditormeister Ludwig Soumagne unter Beweis gestellt. Sein Mundartgedicht Litanei wurde in nicht weniger als 300 weitere Mundarten und Sprachen übertragen. Soumagne selbst hatte im Rahmen einer Privataudienz sogar Gelegenheit, Papst Johannes Paul II. eine Abschrift seines Gedichtes in polnischer Sprache zu überreichen. Kein Geringerer als Heinrich Böll setzte sich dafür ein, den Neusser Mundartdichter in den PEN aufzunehmen, die hoch angesehenen internationalen Schriftstellervereinigung. Soumagne zählt auch zu den Gründungsmitgliedern des internationalen Dialektinstitutes Wien. Die Pädagogische Hochschule Neuss und die Universität Düsseldorf beriefen ihn als Gastdozenten. Weitere Ehrungen erfuhr er durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen.

Soumagne schrieb eine Fülle von Mundartgedichten. Seinen ersten Band unter dem Titel Ech an mech brachte er 1966 heraus. Bis 1999 folgten noch sieben weitere Bände. Daneben trat er als Autor von Hörspielen und eines Theaterstücks hervor. Letzteres trägt den Titel Jetz bloß net de Nerve verliere. Es sind die menschlichen, vielfach allzu menschlichen Eigenarten und Themen, die Soumagne in seinen Dichtungen behandelt. Dafür steht beispielhaft seine berühmte Litanei. Sie handelt von den verkannten Menschen, die gerne als „Dolle“, auf Hochdeutsch „Verrückte“, abgetan werden, aber eigentlich die Gutwilligen sind, die durch ihren Idealismus das menschliche Zusammenleben erst ermöglichen. Somit heißt es dann zum Schluss auch (übersetzt ins Hochdeutsche): „Lass sie um Gottes Willen nicht aussterben“. 

Soumagnes Publikationen setzten in einer Zeit ein, als die mundartliche Dichtung als eigenständige Literaturform entdeckt, gewürdigt und gefördert wurde. Ende der 60er Jahre brach sich geradezu eine Welle an Dialektliteratur Bahn. Soumagne wurde einer ihrer prominentesten Vertreter. Deshalb trägt auch das Internationale Mundartarchiv, das in Dormagen angesiedelt ist, seinen Namen. Im Archiv werden Schriften aus allen deutschen Mundarten gesammelt und wissenschaftlich erschlossen.

Auch seine Heimatstadt Neuss bewahrt dem Dichter, der 2003 verstorben ist, ein vielfältiges Andenken. In Neuss-Norf, seinem ehemaligen Wohnort, wurde ein Ludwig-Soumagne-Weg eingerichtet, an dessen Wegmarken die schönsten seiner Gedichte zu lesen sind. Die beste Art, einen Dichter zu ehren.

Von Ernst Müller

Litanei (1988)

Häer, mer danke Dech!

bös ungs wigder su jnädig Häer!

Jott em Himmel, halt Ding Hank üvver se

Beschötz die Dolle op Äede

Die net dofür künne dat mer su sind

Die für ungs de Kohle us em Füür holle

Die für ungs de Hank en et Füür läje

Die für ungs dorch et Füür jonnt

Die für ungs die schwere Ärbeet donnt

Die für ungs de Kopp hinhalde

Die für ungs Drieß un Dreck fäje

Die für ungs danze un sprenge

Die für ungs vür ungs Strank hant

Die für ungs der Hot träcke

Die für ungs schöldig wäede

Die für ungs dree Fenger huchhäve

Die für ungs höngere un freere

Die für ungs läve un sterve

Die für ungs der Himmel op Äede bedüje

Die für ungs draan jlöve müsse

Leev Häer Du weeß,

wie meer op die Dolle aanjewiese sind;

erbarm Dech

un lott seöm Joddes Welle net ussterve,

Amen

(zitiert nach: Ludwig Soumagne [Hrsg.]: Die Litanei. Übertragen in zweiundfünfzig Sprachen und Mundarten. Bd. 2, 3. Auflage, van Acken, Krefeld 1990.)