Autor*innen-Porträts

Rolf Schroers

10. Oktober 1919 – 8. Mai 1981

Autor und Ort

Der Schriftsteller Rolf Schroers kam 1919 in Neuss zur Welt. Die Familie wohnte zu der Zeit in der Friedrichstraße 42, nahe des Stadtgartens, zog jedoch bereits 1921 nach Odenkirchen, das heute zu Mönchengladbach gehört. Schroers war von 1955 bis 1957 Lektor bei Kiepenheuer & Witsch in Köln. Anschließend lebte er als freier Publizist und Schriftsteller in Eitorf-Obenroth im Rhein-Sieg-Kreis und in Meckenheim bei Bonn sowie in Blankenheim in der Eifel. Von 1968 bis 1980 war er zudem Direktor der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach.

Leben und Werk

1919 in Neuss geboren, wuchs Rolf Schroers in Münster, Hamm und Berlin auf, wo er auch das Abitur ablegte. Dort und in München studierte er anschließend Germanistik und Philosophie. Nach 1945 lebte er zunächst als freier Autor und Verlagslektor im Oldenburger Land, später wieder im Rheinland und der Eifel.   

Geprägt durch die Erfahrung von Nationalsozialismus und Krieg, an dem er als Oberleutnant beteiligt war, spürte der Schriftsteller in seinen Büchern der persönlichen Verantwortung des Einzelnen und dem Sinn der menschlichen Existenz nach. Er war vom Existenzialismus geprägt, der die Eigenverantwortung des Individuums betonte.

In diesem Sinne verfasste Schroers 1949 eine Biografie über Thomas Edward Lawrence, den sogenannten „Lawrence von Arabien“, der als englischer Offizier den Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich beeinflusst hatte. In seiner Person entdeckte Schroers den Prototyp eines Einzelkämpfers, der sich für selbst gesetzte moralische und politische Ziele einsetzt. In dem 1953 erschienenen Roman Jakob und die Sehnsucht thematisierte Schroers moralische Schuld in ihren persönlichen und gesellschaftlichen Ausprägungen. Dabei interessierte ihn vor allem die Verführbarkeit durch Sprache. In der Erzählung In fremder Sache aus dem Jahre 1957 scheut der Zufallszeuge eines Selbstmordes aus Angst, für den Mörder gehalten zu werden, den Gang zur Polizei. Als sein Nachbar als Mordverdächtiger in Untersuchungshaft kommt, beginnt für den Protagonisten eine lange und in quälerischer Selbstanalyse vorgenommene Entscheidungsfindung. Besonders reizvoll an dieser Erzählung ist die extrem subjektive Perspektive des Ich-Erzählers.         

Schroers war Mitglied der legendären Gruppe 47, einer losen Schriftstellervereinigung der Nachkriegszeit, in der sich vornehmlich Autorinnen und Autoren versammelten, die in realistischen Darstellungen ihre Kriegserlebnisse aufarbeiteten und die sich neu firmierende Gesellschaft der jungen Bundesrepublik kritisch begleiteten. Politisch schloss sich Schroers der FDP an und führte seit 1965 als Chefredakteur deren publizistisches Organ „liberal“. Dabei setzte er sich für die Wandlung der FDP zu einer linksliberalen Partei ein und bereitete damit die Koalition mit der SPD publizistisch vor. Von 1968 bis 1980 war Schroers zudem Direktor der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach. 1979 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Als Schriftsteller bediente Schroers ein breites Spektrum. Er schrieb sowohl Erzählungen als auch Hörspiele und Essays, arbeitete außerdem für renommierte Zeitungen und den Rundfunk. 1981 ist Rolf Schroers in Altenberge bei Münster verstorben.

Von Ernst Müller

In fremder Sache (Auszug aus Erzählung)

Es ist noch etwas mehr, was mich dieser Witwe verbindet (…): Wir sind beide nicht auf der Jagd nach dem Mörder. Die Witwe ist mit sich selbst beschäftigt und hat gar nichts erfahren (…). Ihre Unwissenheit schützt sie auch. Bei mir ist es umgekehrt, ich weiß, und auch das ist ein Schutz. Gefährlich sind die Zwischenstufen. Konrad Arndt ist in einer weit schlechteren Lage als wir. Er muss sich wünschen, dass die Polizei den Mörder heranschafft, damit er selber loskommt. Für den Preis des gestellten Mörders wird er frei. Ja, vorderhand genügte schon einer, bei dem sich die Indiziensteinchen genauer, gefährlicher fügen – zum Beispiel ich, der Mann, der seine Handschuhe am Tatort verlor. Die Witwe käme nicht auf den Gedanken, mich für einen Mörder zu halten, aufs Wort würde sie mir glauben. Doch die Polizei würde mir, wenn sie etwas erführe, sogleich die Handschellen anlegen. Die Witwe weiß nichts, die Polizei nichts genau. Ich weiß alles, und das ist zuviel (…) Abends bat ich die Witwe um ein Buch, um mich abzulenken; meine Gedanken klebten förmlich an all diesen Dingen und brachten doch nichts zustande. (…) Ich prüfte die Bilanz meiner Schuld, Position um Position ging ich durch. Stückchen für Stückchen schob es mich weiter zum Gericht.  

(aus: Rolf Schroers: In fremder Sache. Erzählung. Kiepenheuer & Witsch, Köln/Berlin 1957, S. 112 ff.)