Autor*innen-Porträts

Paul Schallück

17. Juni 1922 – 29. Februar 1976

Paul Schallück
© Historisches Archiv der Stadt Köln

Autor und Ort

Ob­wohl im Münsterland ge­bo­ren, ver­band den Schrift­stel­ler Paul Schal­lück zeitlebens ei­ne en­ge Be­zie­hung zu Köln, das er 1947 zu seiner Wahlheimat machte und wo er sich ne­ben Hein­rich Böll zu ei­nem der füh­ren­den Ver­tre­ter der Trüm­mer­li­tera­tur ent­wi­ckel­te. Beide traten unter anderem bei den le­gen­dä­ren „Mitt­wochs­ge­sprä­chen“ auf, die der Buch­händ­ler Ger­hard Lud­wig im so­ge­nann­ten „Drit­ten War­te­saal“ im Köl­ner Haupt­bahn­hof veranstaltete und die über­re­gio­na­le Be­kannt­heit er­lang­ten. Schallück verfasste zahlreiche Beiträge, in denen seine Zuneigung für die „nörd­lichs­te Stadt Ita­li­ens“, wie er Köln nannte, deutlich wird, die wohl bekanntesten sind „Köln – Por­trät ei­ner Stadt“ (1959) und „Der Platz, an dem ich schrei­be“ (1960). Schallück starb 1976 und wurde auf dem Friedhof in Müngersdorf beigesetzt. Dort hatte er zuletzt in der Belvederestraße 91 gelebt. Im Stadtteil Sülz, wo er ebenfalls einige Zeit wohnte, ist eine Straße nach ihm benannt.

Leben und Werk

Paul Schallück kam am 17. Juni 1922 als zweites von drei Kindern im Münsterländischen Warendorf zur Welt. Er war der Sohn der Bibliothekarin Olga Schallück, die seinen Vater, den Warendorfer Heimatdichter und Buchbinder Heinrich Schallück, als Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg in Sibirien kennengelernt hatte. 

Schallück besuchte von 1928 bis 1935 die Volksschule in Warendorf. Da er Missionar werden wollte, besuchte er anschließend die Klosterschulen in Boppard und Hiltrup. Nachdem die Nationalsozialisten Anfang 1940 das Gymnasium der Hiltruper Missionare schlossen, kehrte Schallück in seine Heimatstadt zurück. In dieser Zeit verfasste er seine ersten Gedichte. Er erlangte vorzeitig das Abitur und wurde zum Militärdienst einberufen. In Folge einer schweren Oberschenkelverletzung, die Schallück bei Gefechten in Frankreich erlitt, gelangte er 1944 in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er mit Ablauf des Jahres 1945 entlassen wurde. 

Nach dem Krieg studierte Schallück zunächst Germanistik, Philosophie und Geschichte an der Universität Münster, wechselte jedoch nach drei Semestern an die Universität in Köln; die durch den Bombenkrieg gezeichnete Stadt sollte fortan seine Heimat bleiben. Neben dem Studium, das er um die Fächer Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft ergänzte, begann Schallück als Theater- und Kunstkritiker zu arbeiten, u.a. für das „Neue Tageblatt“ und die „Münstersche Zeitung“. Zudem widmete er sich sei­nem ers­ten größerem Schreibprojekt, einem Ro­man, der 1951 un­ter dem Ti­tel Wenn man auf­hö­ren könn­te zu lü­gen er­schien. Er porträtiert darin, in einem dem französischen Existenzialismus ähnlichen Stil, eine Clique von Studenten und deren Umgang mit dem Krieg.

Die Auseinandersetzung mit dem Zweiten Krieg und dessen gesellschaftlichen Folgen für die noch junge Bundesrepublik kennzeichneten Schallücks Werk und ihn – wie auch seinen Freund Heinrich Böll – als Vertreter der sogenannten Kahlschlagliteratur. 1959 veröffentlichte er „Engelbert Reineke“, der Roman gilt als sein Hauptwerk und wurde in viele Sprachen übersetzt. In Anlehnung an seinen Heimatort Warendorf beschreibt Schallück eine westfälische Stadt und deren nationalsozialistische Verstrickungen in den 1930er Jahren. Insgesamt entstanden fünf Romane, der letzte 1967. Don Quichote in Köln nimmt insofern eine Sonderstellung in Schallücks Werk ein, als er sich von seinen bisherigen Themen entfernt und – in mutmaßlichem Rückgriff auf die eigene Person – das Bild eines resignierten Autoren zeigt. 

Schallück war Mitglied der Gruppe 47, an deren Treffen er von 1952 bis 1964 regelmäßig teilnahm, und des PEN-Zentrums der BRD. Außerdem engagierte er sich politisch für die SPD und kam darüber mit Willy Brandt in Kontakt, für den er auch eine Rede schrieb. Er war außerdem einer der Mitbegründer der „Germania Judaica“, einer in Köln ansässigen Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums. Seit 1972 war er Chefredakteur der deutsch-französischen Zeitschrift „Dokumente“. Er wurde mit zahlreichen Preisen geehrte, unter anderem mit dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (1955) und dem Nelly-Sachs-Preis (1973).

Am 29. Februar 1976 im Alter von 53 Jahren verstarb Paul Schallück an den Folgen eines bösartigen Lungentumors und wurde auf dem Friedhof Müngersdorf beigesetzt.

Von Dominik Kruhl

Don Quichotte in Köln (Romanauszug, 1967)

Im Unterschied zum Biographen bietet meine Dokumentensammlung mir die Nacht zum Aschermittwoch so an:

Am Karnevalsdienstag, nachdem sich seine Mutter, sein Studenten-Sohn Hännesje und dessen Braut Bärbelchen drei Wochen lang um ihn gesorgt hatten, weil er drei Wochen lang nicht ins Funkhaus gegangen war, sondern sich eingeschlossen hatte in seinem Zimmer, stieg er auf den Dachboden, fand unter den verstaubten Spielsachen seines einzigen Sohnes eine Kindertrompete und versteckte sie unter dem Anzugrock. Froh über die Wiederauferstehung des Vaters beschlossen Hännesje und Barbara, wenigstens am Karnevalsdienstag nachzuholen, was sie zu Weiberfastnacht und am Rosenmontag seinetwegen nicht hatten genießen können. Er aber floh vor den Masken seiner Lieben, mäanderte durch die schunkelnden Straßen und wollte sich in seinem Rundfunkbüro vor dem Taumel verschließen. Tat es auch und versuchte dort, auf der Blechtrompete Töne zu blasen. Seine Sekretärin, Frau Hemmersbach, besteht allerdings darauf, die Tür sei nur angelehnt gewesen, von einer Kindertrompete will sie nichts gehört, nichts gesehen haben.

(zitiert nach: Paul Schallück: Don Quichotte in Köln. Literarischer Verlag Helmut Braun, Leverkusen und Köln 1977, S. 11.)