Autor*innen-Porträts

Friedrich Nietzsche

15. Oktober 1844 – 25. August 1900

Friedrich Nietzsche

Autor und Ort

Friedrich Nietzsche wohnte als Student in der Bonngasse 518, an der Ecke zur Gudenauergasse, der heutigen Friedrichstraße. Das Haus wurde 1937 abgerissen. Um das „Leben kennen zu lernen", und, wie er selbst sagte, um „das zu werden, was man einen flotten Studenten nennt", trat Nietzsche der Burschenschaft Frankonia bei. Dort bestritt er freiwillig eine Mensur, von der er einen Schmiss auf dem Nasenrücken zurückbehielt. Außerdem ließ er sich in den städtischen Gesangsverein aufnehmen. Doch Nietzsche blieb kaum ein Jahr in Bonn. Ob es auch am Essen lag? 1864 schrieb er Mutter und Schwester nach Naumburg: „Außerdem muß ich jetzt gestehen, daß die rheinische Kost mir auf die Dauer gar nicht behagen will. Mein Appetit für dieselben nimmt bedeutend ab."

Leben und Werk

Am 15. Oktober 1844 wurde Friedrich Wilhelm Nietzsche in Röcken in der damaligen preußischen Provinz Sachsen geboren. Er ist heute weltweit als Philosoph bekannt, jedoch machten ihn seine Prosa und Lyrik auch zu einem anerkannten Schriftsteller. Sein Stil war eigenwillig, innovativ und wies über die klassischen Disziplinen hinaus. Er verstand sich darin, seine komplexen Theorien durch prägnante Aphorismen zu vermitteln.

Als sein Vater, der evangelische Pfarrer Carl Ludwig, 1849 starb, zog Nietzsche mit seiner Mutter Franziska und seiner Schwester Elisabeth nach Naumburg, wo er das Domgymnasium besuchte und bereits durch seine besondere sprachliche und musische Begabung auffiel. Er wurde Stipendiat an der Landesschule Pforta, wo seine Talente gefördert wurden.

1864 ging Nietzsche nach Bonn, wo er klassische Philologie und evangelische Theologie studierte. Er begann sich intensiv mit religionskritischen Werken unter anderem von Ludwig Feuerbach und David Friedrich Strauß auseinanderzusetzen und beschloss daraufhin – zum Leidwesen seiner Mutter – das Theologiestudium abzubrechen. Ein Jahr später folgte er seinem Professor Friedrich Ritschl an die Universität nach Leipzig, entdeckte dort Arthur Schopenhauers Philosophie für sich und lernte den 31 Jahre älteren Richard Wagner kennen, mit dem er die Begeisterung für Schopenhauer und Musik teilte. Aus anfänglicher gegenseitiger Bewunderung erwuchs eine enge Freundschaft.

Noch vor Abschluss seiner Promotion wurde Nietzsche 1869 als außerordentlicher Professor für klassische Philologie an die Universität Basel berufen. Auf eigenen Wunsch wurde er der preußischen Staatsbürgerschaft enthoben und blieb den Rest seines Lebens staatenlos.

1872 veröffentlichte er Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik mit einem Vorwort von Wagner, dem er die Schrift widmete. Innerhalb der Philologie traf sein Werk auf wenig Gegenliebe, ebenso seine Kulturkritik, die Unzeitgemäßen Betrachtungen. Mit Wagners Hinwendung zu christlichen Motiven in seinen Werken kehrte sich Nietzsches Verbundenheit ihm gegenüber in Ablehnung um. In Menschliches Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister distanzierte er sich 1878 sowohl von Wagner als auch von der Philosophie Schopenhauers.

Ab 1879 machten ihm diverse Krankheiten so zu schaffen, dass er vorzeitig pensioniert wurde. Er widmete sich dem Reisen und war als freier Autor und Philosoph tätig. 1883 erschien der erste Teil eines seiner bekanntesten Werke, Also sprach Zarathustra, in dem er die Idee des Übermenschen vertiefte.

Nach einem Nervenzusammenbruch und einem Aufenthalt in einer Psychiatrie in Jena kehrte Nietzsche 1890 zurück zu seiner Mutter nach Naumburg. Nach deren Tod lebte er in Weimar, wo ihn seine Schwester pflegte. Teilweise gelähmt, beinahe erblindet, verstarb Friedrich Nietzsche am 25. August 1900 im Alter von 55 Jahren in Weimar an den Folgen zahlreicher Schlaganfälle.

Von Leonie Bauerdick

Der tolle Mensch (Ausschnitt, 1882)

– Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“ – Da dort gerade Viele von Denen zusammen standen, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein grosses Gelächter. Ist er denn verloren gegangen? sagte der Eine. Hat er sich verlaufen wie ein Kind? sagte der Andere. Oder hält er sich versteckt? Fürchtet er sich vor uns? Ist er zu Schiff gegangen? ausgewandert? – so schrieen und lachten sie durcheinander. Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken. „Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, - ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? […]

(zitiert nach: Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft, Aph. 125. Fritzsch Verlag, Leipzig 1887, S. 153.)


Das trunkene Lied (Ausschnitt, 1884)

O Mensch! Gib Acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
„Ich schlief, ich schlief –,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: –
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh –,
Lust – tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit –,
– will tiefe, tiefe Ewigkeit!“

(zitiert nach: Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, 1883-1885, Dritter Teil: Das andere Tanzlied, 1. vollständige Ausgabe aller Teile. Leipzig 1892.)