Autor*innen-Porträts

Carola Lepping

14. Mai 1921 – 5. Mai 2009

Carola Lepping
© Frank Becker

Autorin und Ort

Carola Lepping wurde in Wuppertal-Elberfeld geboren, wo sie bis zum Abitur aufwuchs. Nach nur drei Semestern Lehramtsstudium in Dortmund erhielt sie 1943 eine Stelle als Aushilfslehrerin im oberbergischen Hückeswagen; ein Jahr später wurde sie fest angestellt. 1946 setzten die Alliierten sie zusätzlich als Bibliothekarin ein. Bis 1991 blieb Lepping ehrenamtliche Leiterin der Stadtbücherei. „Die Schule und die Bibliothek waren immer mein Leben“, sagte sie einmal. Sie wohnte bis zum krankheitsbedingten Umzug in ein Altenheim in einer kleinen Wohnung in einem Schieferhaus an der Weierbachstraße. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Am Kamp in Hückeswagen.

Leben und Werk

Am 14. Mai 1921 in Elberfeld geboren, bekam Carola Lepping schon als 20-Jährige kriegsbedingt nach nur drei Semestern Studium eine Anstellung als Volksschullehrerin in Hückeswagen. 1943 zog sie in die bergische Kleinstadt um, die für sie zur zweiten Heimat wurde. 1946 wurde die literaturkundige Lehrerin von der englischen Besatzungsbehörde zusätzlich als Stadtbibliothekarin eingesetzt. Ihre Position als Lehrerin bekleidete sie bis zu ihrer Pensionierung 1981, Bibliothekarin blieb sie bis 1991. 

In ihren Berufen, die ihr Berufung waren, sowie als Autorin wurde Carola Lepping Bestandteil der Hückeswagener Kultur und Gesellschaft. Hier und da schrieb sie für Lokalblätter, Periodika und Anthologien kunstgeschichtliche, literarische und heimatkundliche Texte, u.a. in Neues Rheinland, im Almanach für Literatur und Theologie und in den Sammlungen Erzähler unserer Zeit und Deutsche Lyrik und Prosa nach 1945. Ihr Bilder-Buch Das alte Haus auf Hartkopsbever aus dem Jahr 1970 wurde zu einem regionalen Dauerbrenner.

In der großen Literaturwelt tauchte ihr Name erstmals 1953 auf, als sich Lepping um den renommierten Charles-Veillon-Preis bewarb, der bis 1971 in den drei wichtigsten Landessprachen der Schweiz vergeben wurde. Sie konnte zwar nicht gewinnen, erhielt jedoch Lob von der Jury, zu der unter anderen Werner Bergengruen gehörte, und dem Organisator Karl Schmid. Ein Jahr später reichte sie ein weiteres, unfertiges Manuskript ein: Bela reist am Abend ab. Sie bekam eine sechswöchige Frist zur Fertigstellung und gewann tatsächlich den begehrten Preis, den später auch Heinrich Böll und Max Frisch erhielten. Sogar Thomas Mann hatte sich per Brief dafür eingesetzt, sie auszuzeichnen.

Das Preisgeld in Höhe von 5000 Schweizer Franken legte Lepping in eine mehrmonatige Studienreise nach Paris an. Ihr von sprachlichen Wundern und tiefen Gefühlen übervoller Roman Cor ist ein Ergebnis dieser Zeit. Eine Veröffentlichung indes kam nicht zustande, obwohl ihr der S. Fischer Verlag, in dem ihr Erstling erschienen war, zunächst eine weitere Zusammenarbeit zugesagt hatte. Enttäuscht konzentrierte sie sich fortan ganz auf ihre Arbeit als Lehrerin und Bibliothekarin, dabei hatte sie aus Frankreich und von späteren Reisen Impressionen und Ideen mitgebracht, die für eine Reihe von Publikationen gereicht hätten. 

Schließlich, im Alter von 85 Jahren, fasste sie den Mut und den Entschluss, ihre literarischen Herzensangelegenheiten an die Öffentlichkeit zu bringen. 2004 erschien der Künstlerroman Huldigung an Sisley im Selbstverlag. Auch für ihr umfangreichstes Werk, den Roman Cor, an dem sie über die Jahre immer wieder Bearbeitungen vorgenommen hatte, fand sich schließlich ein Verlag, der in Dreieich bei Frankfurt ansässige Medu Verlag. Dort folgte 2008 der Reiseroman Syrische Reise. Weitere Romanprojekte – Annette Keppler, Bericht einer beschwerlichen Reise und Großer schwarzer Vogel du – blieben bislang aber unveröffentlicht. 

Carola Lepping starb am 5. Mai 2009, wenige Tage vor ihrem 88. Geburtstag.

Von Frank Becker

Bela reist am Abend ab (Romanauszug)

Die Erde hat kein solches Eisengländer an ihrem Rand. Ist man an ihrem Rande angelangt, so muß man fallen. Oh, noch, noch hat Bela das Eisen in der Hand. Faß es fest an. Halt‘ dich fest! Dies ist noch nicht der Rand der Welt. Noch fällst du nicht, noch fällst du nicht!

Es ist kalt und naß und duftet nach Regen. Bald wird Schnee fallen. Schnee wird weiß und blitzend auf dem Eisen liegen. Du kannst fühlen, daß dies ncht der Rand der Welt ist …

Fühle doch.

Kalt ist die Erde. Naß ist die Erde, aber Bela gehört sie. Gut ist sie. Bela steht mitten auf der Erde und faßt das Eisengeländer, das überall ist, nur nicht an ihrem Rand. Die Menschen haben es überall angebracht. An allen abschüssigen Stellen gibt es dies Geländer.

Oh, die Menschen sind gut! Die alten Schwestern. Der Mann im Ulster. Die Morgenrockfrauen, auch die in den Pelzpantöffelchen. Oh, sie sind so gut! Im Grunde muß man sie lieben.

Sie sind so gefährdet, sie müssen alle an den Rand der Welt. Oh, man muß sie lieben. Sie meinen es gut mit Bela. Sie fürchten sich wie Bela. Sie empfinden wie Bela und setzten deshalb dieses Geländer. Sie gehören zu Bela. Sie sind ausgeliefert wie sie.

(aus: Carola Lepping: Bela reist am Abend ab. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1956, S. 123.)