Autor*innen-Porträts

Johann Gottfried Kinkel

11. August 1815 – 13. November 1882

Johann Gottfried Kinkel

Autor und Ort

Johann Gottfried Kinkel wurde im heutigen Bonner Stadtteil Oberkassel geboren. Er studierte an der hiesigen Universität, wo er später auch zum Professor ernannt wurde. Knapp zehn Jahre lebte er im Poppelsdorfer Schloss, zunächst im Eckhaus in der Clemens-August-Straße 1, dann in der „Dozentenwohnung“ im Mittelturm der Südostseite, inklusive mehrerer Räume im Ostturm. Ab 1843 wohnte er hier zusammen mit seiner Ehefrau Johanna sowie ihren drei dort geborenen Kindern; gemeinsam luden sie jeden Dienstag zu den Treffen des von ihnen gegründeten „Maikäferbundes“, einem literarischen Zirkel, in dem neueste Gedichte, Anekdoten und philosophisch-politische Traktate vorgestellt wurden. Die Stadt widmete Kinkel 1906 ein Denkmal, das unterhalb seiner Büste auch ein Reliefporträt seiner Frau zeigt. Außerdem sind in Bonn zwei Schulen und eine Straße nach ihm benannt.

Leben und Werk

Am 11. August 1815 wurde Johann Gottfried Kinkel als Sohn des gleichnamigen Pfarrers und seiner Frau Sibylla Marie in Oberkassel bei Bonn geboren. Nach dem Ablegen der Reifeprüfung folgte er leidenschaftslos dem Vorbild seines Vaters und schrieb sich an der Universität Bonn für evangelische Theologie ein, wo er mit 22 Jahren Dozent für Kirchengeschichte wurde.

1839 lernte Kinkel die Pianistin Johanna Mockel kennen und gründete mit ihr den spätromantischen Literaturzirkel „Maikäferbund“. Die Beziehung der beiden wurde zum Skandal, denn Johanna war eine geschiedene Frau und noch dazu katholisch. Als sie, um erneut heiraten zu dürfen, zum evangelischen Glauben konvertierte, wandte sich Kinkel endgültig von der Theologie ab. Auch für die theologische Fakultät war er nicht länger tragbar, weshalb ein Wechsel an die philosophische Fakultät folgte. 1846 wurde Kinkel Professor für Kunst- und Literaturgeschichte.  

Seine politische Karriere nahm im Zuge der Revolution im Frühjahr 1848 an Fahrt auf. Er wurde Redakteur der „Bonner Zeitung“, gründete den „Demokratischen Verein“ in Bonn und zog als demokratischer Kandidat für den Wahlkreis Bonn-Sieg in das Preußische Abgeordnetenhaus. Kinkel unterstütze die Forderungen zur Gründung eines deutschen Nationalstaates, zur Aufhebung der Fürstenherrschaft und zur Volkssouveränität.

Nach einem Aufenthalt als Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung in Berlin kehrte er 1849 nach Bonn zurück. Öffentlich rief er zum bewaffneten Widerstand gegen die Regierung auf und beteiligte sich selbst an Aufständen. Nach einer Verwundung geriet Kinkel in preußische Gefangenschaft und wurde 1849 zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt.

Sein Freund Carl Schulz, der seiner eigenen Verhaftung nur durch Flucht entgangen war, konnte ihn in einer gewagten Rettungsaktion in der Nacht vom 6. auf den 7. November 1850 aus dem Gefängnis in Spandau befreien. Zusammen gelang ihnen die Flucht nach England, von wo aus Kinkel die Revolution weiter vorantreiben wollte. Nachdem sich seine finanziellen Mittel jedoch langsam erschöpften und seine Frau mit den gemeinsamen vier Kindern nach London folgte, gab er seine politischen Ambitionen auf und arbeitete fortan als Lehrer.

Seine letzten Jahre verbrachte er als Professor für Kunst- und Literaturgeschichte am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich. Am 13. November 1882 starb Johann Gottfried Kinkel an den Folgen eines Schlaganfalls. Er war, über Bonn hinaus, als herausragender politischer Redner und Publizist bekannt und wegen seiner heiteren rheinischen Art beliebt. Zu Lebzeiten veröffentlichte er mehrere Gedichtbände und Erzählungen, darunter das Versepos Otto der Schütz. Eine rheinische Geschichte in zwölf Abenteuern (1846), das bis 1905 die 83. Auflage verzeichnete.

Von Leonie Bauerdick

Der Hauskrieg. Eine Geschichte vom Niederrhein (Auszug)

Friede ernährt, Unfriede verzehrt! Das ist ein altes, wahres Wort; aber manche Leute mögen nicht d’ran glauben.
Am Niederrhein liegt ein kleines Dorf, hübsch und reinlich, und wohnen wohlhäb’ge Leute darinnen, denn Aecker und Wiesen sind ergiebig und das Volk ist fleißig und ordentlich. Der reichste Bauer aber war der alte Andres, dessen Haus und Stallungen zunächst beim Strome liegen, vorn wo der Leinpfad am Dorfe vorbeizieht. Als der zu sterben kam, ging all‘ sein gut bloß auf zwei Söhne über: der älteste hieß Kaspar, der jüngste Sebulon.

Der Kaspar war von Jugend auf ein gesunder baumstarker Kerl gewesen, der mit fünfzehn Jahren seinen Pflug leitete und seine Sense führte wie ein Alter; und wenn er Abende nach Hause kam, verstand er’s gleichfalls, in Kartoffeln und Klöße einzuhauen wie der beste Meisterknecht. Der Sebulon aber hatte in seiner Jugend die englische Krankheit gehabt und Leberthran drei Jahre trinken müssen statt Bier. Auch alle anderen Kinderkrankheiten machten ihm’s Leben sauer. Zwar erfriegte er sich nach dem vierzehnten Jahr, aber krumme Wackelbeine behielt er, und der Barbier hat nie viel von ihm verdient, weil er keinen Bart bekam. Zum Vieh und Ackergeräth hatte er kein Gemüth; am liebsten lag er hinter’m Ofen, spielte mit Nachbarskindern, die viel jünger waren als er und tiftelte ihnen allerhand Spielzeug zusammen, setzte den Thierchen aus der Arche Noäh abgebrochene Köpfe und Beine von Wachs wieder an und nähte Puppenkleidchen. Der alte Andres sah, daß er im Felde nichts taugte, und gab ihn zu einem Schneider in die Lehre.

(aus: Johann Gottfried und Johanna Kinkel: Erzählungen. J.G. Cotta’scher Verlag, Stuttgart und Tübingen 1849, S. 79f.)