Autor*innen-Porträts

Rudolf Hirsch

17. November 1907 – 7. Juni 1998

Rudolf Hirsch
© ddrbildarchiv.de / Klaus Morgenstern

Autor und Ort

Rudolf Hirsch kam 1907 in Krefeld zur Welt. Seine Eltern hatten dort ein Schuhgeschäft eröffnet. Als eine der wenigen jüdischen Familien zogen sie in das damalige Nobelviertel am Stadtwald. Ihr Haus befand sich an der Wilhelmshofallee 74. Als der Vater 1927 starb, musste Sohn Rudolf die Geschäfte übernehmen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 floh er aus Deutschland. Der Laden, den seine Mutter weiter betrieb, wurde kurz darauf arisiert und an einen ehemaligen Angestellten, Nutznießer des NS-Regimes, zu einem Spottpreis verkauft. Nach dem Krieg verweigerten die britischen Behörden Hirsch die Remigration nach Krefeld, so ließ sich der überzeugte Kommunist 1949 in Ost-Berlin nieder. Vor dem früheren Wohnhaus in der Wilhelmshofallee erinnern Stolpersteine an Rudolf Hirsch und dessen Mutter Meta, die in Auschwitz ermordet wurde. Zudem wurde die Hirschgasse zwischen Königstraße und Lohstraße nach Rudolf Hirsch benannt.

Leben und Werk

Geboren wurde Rudolf Hirsch am 17. November 1907 in Krefeld. Er war ein deutsch-jüdischer Schriftsteller und Journalist. Seinen Eltern, Meta und Moritz Hirsch, gehörte das Schuhgeschäft Hirsch. Rudolf Hirsch absolvierte von 1924 bis 1928 eine Ausbildung zum Kaufmann und übernahm kurz darauf das Geschäft seines verstorbenen Vaters. 1931 trat er der KPD, der Kommunistischen Partei Deutschland, bei. 1933 emigrierte er zunächst in die Niederlande und dann Belgien, kehrte aber 1934 nach Deutschland zurück und leistete für die marxistische Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“ aktiven Widerstand gegen das Hitler-Regime – aufgrund seiner jüdischen Wurzeln ein doppelt gefährliches Unterfangen. 1937 verließ er Deutschland erneut. Hirsch stellte zunächst einen Asylantrag in Schweden, der jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin flüchtete er nach Palästina. In Tel Aviv, wo er sich als Schuhmacher verdingte, engagierte er sich weiter politisch und leitete zusammen mit Arnold Zweig die dortige Sektion der „Bewegung Freies Deutschland“.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er nach Deutschland zurück. Als überzeugter Kommunist wurde er von den britischen Behörden daran gehindert, nach Krefeld zurückkehren, also entschied er sich für die DDR. Dort etablierte er sich als bekannter Gerichtsreporter und berichtete für die „Wochenpost“ von den Prozessen gegen NS-Verbrecher, etwa über die Auschwitzprozesse oder den Prozess gegen Kurt Lischka, SS-Obersturmbannführer und Gestapo-Chef in Frankreich. Er schrieb jedoch auch über einfache Diebstahlprozesse in der Provinz. Seine Artikel waren so legendär, dass sie in mehreren Sammelbänden erschienen sind.

Hirsch schrieb neben den zahlreichen Gerichtsreportagen Bücher zum Thema Antisemitismus und Judenverfolgung, beispielsweise Judenkönig (1996) mit Rosemarie Schuder, aber auch Belletristik, darunter Romane wie Herrn Louisides bittere Mandeln (1955). In seinem teils autobiografischen, 1983 erschienenen Roman Patria Israel setzte sich der Autor anhand des Schicksals von 250 jüdischen Geflüchteten, die am 25. November 1940 an Bord der „Patria“ in Haifa strandeten, mit der damaligen Lage in Palästina auseinander.

1958 heiratete er die Schriftstellerin Rosemarie Schuder. Mit ihr wurde er 1988 für das gemeinschaftlich geschriebene Werk Der gelbe Fleck. Wurzeln und Wirkungen des Judenhasses in der deutschen Geschichte mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. 1997, im Alter von 89 Jahren, begann er seine Autobiografie, die er jedoch nicht abschließen konnte. Sie erschien 2002 mit Hilfe des Nachlasses unter dem Titel Aus einer verlorenen Welt.

Rudolf Hirsch starb 1998. Er wurde in der Reihe der Künstlergräber auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt.

Von Nina Höhne

Der Mann, der die Unordnung haßt (Auszug aus einem Gerichtsbericht)

Ein Ausländer, der Fritz sieht, würde sagen: Urbild des biedren Germanen, tüchtig und gerade, arbeitsam, offen, blond, Gemütlichkeit ausstrahlend. Und zu allem Überfluß trägt er einen der Namen, die es allein in Berlin zu Zehntausenden gibt.

Kein Goethe und kein Beethoven, keiner, der dem Schicksal in den Rachen greifen will, aber ein Bastler. Nicht von großen Leidenschaften besessen, aber mit einem Sinn für Schönheit und eigenes Werkeln; kein Weltveränderer, aber ein Werterhaltender, so recht das Salz der deutschen Muttererde, auf der er seit dreißig Jahren wandelt. Kein strahlender Held, aber auch kein Bösewicht.

(…)

 

Was für ein Mann, dieser Fritz, nicht schlecht, nicht recht, nicht strahlend weiß, nicht rabenschwarz. Ach, wenn das so einfach wäre. Fleißig, auch ohne Lohn und Entgelt, wenn man ihn richtig anpackt, aber auch faul, verschlagen und diebisch, wenn er durch schlechte Beispiele angeregt wird. Er schillert in opalisierenden Tönen, alles ist auf seiner Palette.

Führe ihn nicht in Versuchung, er kann nicht widerstehen; leite ihn richtig an, er wird mit dir Berge versetzen.

(aus: Rudolf Hirsch: Tragikomödien des Alltags, Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1974, S. 127 & 130.)