Leben und Werk
Henriette Brey war eine katholische Schriftstellerin, die Zeit ihres Lebens mit dem Rheinland verbunden war. 1857 in Geldern, Kapellen geboren, veröffentlichte sie zunächst Gedichte, Aphorismen und Kurzgeschichten unter Pseudonym in der „Niederrheinischen Landeszeitung“. Ab 1912 folgten eigene Erzählungen und Romane unter anderem im Verlag Jos. Thum in Kevelar, in dem sie in den folgenden Jahrzehnten immer wieder publizierte und der sie über ihre schriftstellerische Tätigkeit hinaus finanziell unterstützte.
Breys Werk umfasst über 50 Veröffentlichungen und ist geprägt von einer starken Frömmigkeit. Davon zeugen insbesondere ihre Kommunion- und Christuserzählungen. Nicht nur dafür wurde sie von der katholischen Leserschaft verehrt und erhielt 1936 den päpstlichen Orden „pro ecclesia et pontifice“. In ihre Texte, wie beispielsweise den 1921 erschienenen Heimatroman „Die vom Heidehof“, flocht sie immer wieder Naturschilderungen und Lokalkolorit. Ihre regionale Verwurzelung zeigt sich auch in ihrem Werk „Der tiefe Bronnen“ von 1935, in dem sie verschiedene Geschichten und Sagen versammelt, die größtenteils am Niederrhein verortet sind. Trotz des umfangreichen Gesamtwerks ist Brey heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Dabei bieten ihre Texte interessante Einblicke in die Sichtweisen katholischer Gemeinden und das Leben der Landbevölkerung am Niederrhein zur damaligen Zeit.
Breys Leben war stark von Krankheit geprägt. Schon als Kind erkrankte sie schwer an Knochentuberkulose, was sie ihr Leben lang massiv beeinträchtigte. Auch ihrem Wunsch, Lehrerin zu werden, konnte sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht nachgehen. Immer wieder musste sie Operationen und teilweise jahrelange Krankenhausaufenthalte über sich ergehen lassen – lange Zeit konnte sie ihre Texte nicht selbst niederschreiben und war so stets auf die Hilfe anderer angewiesen. Aufgrund ihrer Krankenhausaufenthalte und der Betreuung durch ihre Geschwister erfolgten ständige Wohnortswechsel – von Geldern nach Oberhausen, über Duisburg-Rheinhausen schließlich nach Wuppertal, von wo sie 1943 infolge von Bombenangriffen nach Filsen und später nach Oberpleis ins Siebengebirge fliehen musste. Die Flucht gelang ihr nur mit der Hilfe ihres Schwagers, der sie im Rollstuhl und ihrer Reiseschreibmaschine im Gepäck in Sicherheit brachte. 1951 kehrte Brey nach Wuppertal zurück. Nachdem sich ihr Gesundheitszustand 1953 dramatisch verschlechtert hatte, wurde sie in einem Franziskanerinnen-Kloster in der Nähe von Bonn gepflegte, wo sie noch im selben Jahr verstarb.
Von Ricarda Heßelmann
Du Heimat!
Denn die Ferne, die blauschimmernde, in violetten Dunst sich auflösende, lockt und lockt. Mancher zieht hinaus. Und doch kehrt fast jeder zuletzt zur Heimat zurück. Und fühlt: Was die Welt da draußen auch Köstliches bietet – für die Kinder des Niederrheins bleibt das Land am Niederrhein das Schönste! Ja – du mein schlichtes stilles Heimatland, ich muß es noch einmal wiederholen: Du bist schön! Ich möchte von dir singen und sagen. Ich möchte allen, die voll sind von der prangenden und strahlenden Schöne des Mittel- und Oberrheins, deine intimreizvolle Landschaft zeigen: die feinen Luftspiegelungen, den zarten farbigen Dunstschleier, der an Sommer- und Herbstabenden das Gelände verklärt. Aber ich vermag nicht mit einem einzigen Blick deine Reize zu umspannen. Nur ein kleines Stückchen davon kann ich malen. Und da lockt mich jetzt nicht jener Strich, wo das Herz der Arbeit in starken Schlägen pocht, pocht, pocht. Wo die Essen glühen, die Hämmer dröhnen, die Maschinen laufen und fauchen und stöhnen. Wo nachts die Hochöfen Flammenwirbel himmelwärts schleudern und die Nacht in zuckende Rotglut tauchen… Nein – sondern an den vielleicht stillsten Winkel des Niederrheins denke ich: an meine engere Heimat – das Gelderland!
(aus: Henriette Brey: Der tiefe Bronnen. Verlaug Laumann, Dülmen 1935, S. 10f.)