Autor*innen-Porträts

Elisabeth Borchers

27. Februar 1926 – 25. September 2013

Elisabeth Borchers
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Autorin und Ort

Elisabeth Borchers, eine der namhaftesten Lyrikerinnen der deutschen Gegenwartsliteratur, wurde 1926 in Homberg am Niederrhein geboren, heute ein linksrheinischer Stadtteil von Duisburg. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend hier, floh 1940 jedoch mit ihrer Familie vor dem beginnenden Bombenkrieg zu den Großeltern ins Elsass.

Leben und Werk

Elisabeth Borchers wurde 1926 als Tochter eines Lehrerpaares im niederrheinischen Homberg geboren, 2013 verstarb sie an ihrem Wohnort Frankfurt am Main, wo sie auch begraben ist. Zwischen diesen Daten liegt ein ungewöhnlich vielseitiges Schriftstellerinnenleben.

Während des Zweiten Weltkriegs lebte sie mit ihrer Familie bei den Großeltern im Elsass, was ihren weiteren Werdegang prägte. Von 1945 bis 1954 arbeitete sie in der französischen Besatzungszone als Dolmetscherin. Außerdem begann sie damit, französische (später auch englische, russische, italienische) Romane und Kinderbücher zu übersetzen, Texte von Marcel Proust und Marguerite Duras genauso wie Bilderbücher.

Nach einem zweijährigen Aufenthalt in den USA arbeitete sie ab 1960 als Lektorin, zunächst für Luchterhand, später Suhrkamp und den Insel Verlag. In dieser fast 40-jährigen Tätigkeit entdeckte, förderte und begleitete sie zahlreiche Autor*innen, etwa Martin Walser oder die spätere Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska. Überdies gab sie in dieser Funktion auch Anthologien mit unterschiedlichen Themen heraus, wie beispielsweise das Inselbuch der Träume von 1975. Legendär wurde eine Loseblattsammlung Lyrik des Luchterhand-Verlags, die sie zusammen mit Günter Grass herausgab. 

Neben dieser Berufstätigkeit war sie aber auch selbst eine anerkannte Lyrikerin. Ihr erster Gedichtband erschien 1961. Zuvor schon erregte sie Aufsehen mit einem Text, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Juli 1960 vorabgedruckt hatte. Vielen Leser*innen erschien das kurze Gedicht mit den verwirrenden Eingangszeilen „eia wasser regnet schlaf / eia abend schwimmt ins gras“ zu surreal. Es vermischt scheinbar unzusammenhängende Worte, wodurch aber der starke Eindruck einer Welt zwischen Bewusstheit und Unterbewusstsein entsteht. Elisabeth Borchers antwortete auf die Kritik, dass die Lyrik der Realität entfliehen und eine eigene Realität schaffen dürfe.

In ihren folgenden Gedichtbänden blieb sie einer ins Abstrakte tendierenden Lyrik verbunden. In ihren Gedichten mischte sie Märchenhaftes mit bildhaften Beobachtungen, die durchaus die Realität widerspiegeln. 

Neben der Lyrik trat Elisabeth Borchers auch mit Erzählungen und Übersetzungen hervor. Eine weitere Säule ihres literarischen Schaffens sind ihre vielen Kinderbücher. Dazu zählen besonders die originellen Gedichte für Kinder. Sehr beliebt bei Kindern und Eltern wurden die Monatsgedichte, die jeden der zwölf Monate liebevoll und anschaulich charakterisieren. Für die Bildergeschichte Heute wünsch ich mir ein Nilpferd erhielt sie 1976 den Deutschen Jugendbuchpreis.  

Auszeichnungen erhielt sie mehrere, unter anderen den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg, den Horst-Bienek-Preis für Lyrik und das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Sie war Mitglied des PEN-Zentrums und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. 

Von Ernst Müller

Umzug (1976)

Ich räume das Haus
die Zimmer, die Treppen
die Jahre, Jahrzehnte
die Tage und Nächte
die Freunde, die Feinde
die Tassen, die Teller
die Kissen, die Decken
den Himmel, die Hölle
die Gräber
ich räume und räume
den Winter, den Sommer
den Wind und das Wetter.

(zitiert nach: Elisabeth Borchers: Gedichte. In: Sinn und Form, 61. Jg. (2009), Heft 1, S. 88ff.)