Autor*innen-Porträts

Rose Ausländer

11. Mai 1901 – 3. Januar 1988

Rose Ausländer
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Autorin und Ort

In Düsseldorf wohnte Rose Ausländer zunächst in der Pension Cordes in der Poensgenstraße 9 in der Nähe des Hauptbahnhofs. Ihre Gedichte trug sie regelmäßig bei den legendären Literaturabenden in der Oberkasseler Kneipe Sassafras vor. Ihren Lebensabend verbrachte sie im direkt an den Nordpark angrenzenden jüdischen Senior*innen-Wohnheim, dem Nelly-Sachs-Haus. Der Nachlass ihrer Werke wird im Heinrich-Heine-Institut aufbewahrt. Sie ist auf dem jüdischen Friedhof auf dem Gelände des Düsseldorfer Nordfriedhofs beigesetzt. 2022 wurde eine Büste, eine Schenkung der Rose-Ausländer-Gesellschaft, im Nordpark aufgestellt; dabei handelt es sich um einen Abguss der bereits 2018 in ihrer Geburtstadt Czernowitz installierten Büste.

Leben und Werk

Rose Ausländer wurde als Rose Scherzer am 11. Mai 1901 in Czernowitz geboren. Sie wuchs in einem weltoffenen, liberal-jüdischen, auch kaisertreuen Elternhaus auf, in dem die wichtigsten Traditionen der jüdischen Tradition bewahrt wurden. 1916 floh die Familie vor der zweiten russischen Besetzung der Stadt nach Budapest und zog von dort weiter nach Wien. Rose Scherzer kehrte 1920 in das nun rumänische Czernowitz/Cernăuţi zurück, arbeitete in einer Rechtsanwaltskanzlei und studierte als Gasthörerin Literatur und Philosophie an der Czernowitzer Universität. Hier beschäftigte sie sich u.a. mit Constantin Brunner, Spinoza, Platon und den Texten der Bibel.

Gemeinsam mit ihrem Studienfreund Ignaz Ausländer, den sie 1923 in New York heiratete, verließ sie 1921 die Bukowina und wanderte in die USA aus. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich als Buchhalterin beim Westlichen Herold und begann mit dem Schreiben. In dem von ihr bis 1927 redigierten Amerika-Herold-Kalender erschienen ihre ersten Gedichte.

1926 trennte sich das Paar; im selben Jahr erhielt Rose Ausländer die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Diese wurde ihr 1935 wieder aberkannt, nachdem sie mehr als drei Jahre nicht mehr in den USA gewesen war. 1927 kehrte sie in die Bukowina zurück, um ihre erkrankte Mutter zu pflegen. In dieser Zeit lernte sie ihren zweiten Mann, den Kulturjournalisten und Graphologen Helios Hecht kennen, von dem sie sich 1935 wieder trennte. Nach einem weiteren New-York-Aufenthalt im Jahre 1928 schrieb Ausländer für deutschsprachige amerikanische Zeitungen.

Ab 1931 lebte sie wieder in Czernowitz, veröffentlichte Gedichte und Aufsätze in Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien, übersetzte aus dem Jiddischen und Englischen, gab Englischunterricht und arbeitete für die Zeitung „Der Tag“. 1939 erschien ihr erster eigener Gedichtband Der Regenbogen in Czernowitz auf Deutsch, der von der lokalen Kritik gefeiert wurde, aber in Nazi-Deutschland und dem faschistischen Österreich keinerlei Resonanz fand. Als sich die politische Situation in Czernowitz zuspitzte, reiste sie 1939 erneut in die USA, kehrte jedoch noch im selben Jahr zurück, da sich der gesundheitliche Zustand ihrer Mutter verschlechtert hatte.

Als Czernowitz 1940 von sowjetischen Truppen besetzt wurde, wurde Rose Ausländer als angebliche US-Spionin vom sowjetischen Inlandsgeheimdienst NKWD verhaftet und erst nach viermonatiger Haft wieder aus dem Gefängnis entlassen. Sie arbeitete nun als Krankenschwester in einer Augenklinik. 1941 besetzten die mit Deutschland verbündeten rumänischen Truppen die Stadt. Rose Ausländer wurde ins jüdische Ghetto verbannt und durfte die Stadt auch nach dessen Auflösung nicht verlassen. Zwangsarbeit und Verfolgung überlebte sie in einem Kellerversteck.

Als die Rote Armee 1944 in das nun wieder sowjetische Czernowitz einmarschierte, wurden die überlebenden Juden befreit und Rose Ausländer konnte erneut nach New York reisen, wo sie eine Stelle als Fremdsprachenkorrespondentin fand. Ihre Gedichte schrieb sie bis 1956 ausschließlich auf Englisch.

Nach kurzem Aufenthalt in Wien zog sie 1965 nach Düsseldorf und veröffentlichte – fast dreißig Jahre nach ihrem ersten Band – mit Blinder Sommer ein weiteres Buch mit eigenen Gedichten. Als Schriftstellerin zunächst eine Unbekannte, machte sie sich nach und nach mit ihrer Lyrik einen Namen: In den 70er Jahren erschienen ihre Texte, künstlerisch gestaltet, im Krefelder Sassafras-Verlag.

Das Schreiben war für sie eine Strategie, ihre persönliche Geschichte mit der Erfahrung des Holocausts und dem Verlust ihrer Heimat zu bewältigen. Heimat beschränkte sich für sie nicht auf den geographischen Ort, sondern bedeutete vor allem die Sprache, in der sie sich mitteilte und dachte. Sprache ist auch Thema vieler ihrer Gedichte, ebenso wie das Judentum.

Nach einem Unfall zog sie in das Nelly-Sachs-Heim im Düsseldorfer Stadtteil Stockum; 16 Jahre lebte sie dort, 11 davon verbrachte sie weitestgehend im Bett. Sie lebte zurückgezogen und empfing nur wenige Besucher. In den letzten Jahren ihres Lebens widmete sie sich ganz dem Schreiben. Erst in dieser letzten Lebensphase erreichte Rose Ausländer ein breites Leserpublikum; Tausende enthusiastische Leserbriefe stapelten sich im Zimmer 419 des Altenheims der Jüdischen Gemeinde und sie wurde mit zahlreichen Preisen geehrt.

Von Maren Jungclaus

Nördlich (1976)

Im nördlichen Park
halten die Pappeln zusammen
gradlinig
Reihen Einsilbigkeit

Spürt man die Fremde
wächst
einem über den Kopf

Im Winterschlaf
die Springbrunnensprache
kein rheinisches Muster

Unverbesserlich
diese Heimatsuche
Besuch
zwischen Tür und Angel
bleibt das Wort
in der Kehle stecken

(aus: Rose Ausländer: Im Aschenregen / die Spur deines Namens. Gesammelte Werke, Bd. 4, Gedichte und Prosa 1976, S. Fischer, Frankfurt am Main 1984, S. 33.)