Autor*innen-Porträts

Ingo Arendt

1955 – 1993

Ingo Arendt
© Stadtarchiv Krefeld, Sammlung Axel Gayk

Autor und Ort

„Ingo Arendt, geb. 1955 in Hohenstein-Ernstthal/DDR. Studierte Germanistik, Slawistik, Philosophie und Soziologie. Lebt in Krefeld.“ Mit dieser knappen Notiz wird Ingo Arendt anlässlich seiner ersten regulären Veröffentlichung 1986 von Herausgeber Klaus Ulrich Düsselberg in der Zeitschrift Literatur in Krefeld vorgestellt. Wann er nach Krefeld kam, wo er vorher gelebt hatte, wo er studierte und mit welchem Abschluss, ist genauso wenig bekannt wie vieles andere auch. Als einzige berufliche Tätigkeit ist die freie Mitarbeit für die Krefelder Ausgabe der Westdeutschen Zeitung nachweisbar. Gewohnt haben soll Arendt in der Krefelder Roßstraße.

Leben und Werk

Der Lyriker und Erzähler Ingo Arendt war ein Außenseiter, der Umgang mit ihm war schwierig. Viele in Krefeld konnten die Beurteilung seiner Werke nicht von ihrer Sicht auf seine Person trennen. In der Krefelder Literaturszene, die zu Arendts Zeit von vielen Talenten bevölkert war, polarisierten Arendts Texte am stärksten. 1986 war er zum ersten Mal Gast der Krefelder Literaturwerkstatt, die Klaus Ulrich Düsselberg initiiert hatte.

Als Reaktion auf die erste Lesung Arendts in der Werkstatt notierte Frank Lingnau rückblickend im Jahr 1990: „Wir sind beeindruckt und schockiert zugleich.“ Das fasst die Bandbreite der Rezeption so kurz wie präzise zusammen. Der Beitrag mit dem Titel „Mit seinen Gedichten allein. Ein Plädoyer für den Versuch, die Gedichte des Krefelder Schriftstellers Ingo Arendt zu lesen“ entstammt der Zeitschrift Literatur in Krefeld. Lingnau wollte für das Lesen der Gedichte Arendts werben, dass er dies als notwendig empfand, verweist auf die auch unter Kolleginnen und Kollegen weit verbreitete zwiespältige Haltung Arendt gegenüber.

Lingnau schreibt weiter: „Das Leiden an der Welt steht im Zentrum seiner Gedichte […]. Die Ästhetik des Hässlichen […] wird von Ingo Arendt zum Programm erhoben. […] Das macht das Lesen seiner Texte häufig unangenehm und führt dazu, dass sie massiv der Kritik ausgesetzt sind. Doch auch Arendts Gedichte wollen nicht nur schockieren. Vielmehr registrieren und reflektieren seine Texte eine Welt, die als sinnentleert, bedrohlich und übermächtig erscheint.“

Heinz-J. Ingenpahs, Krefelder Kulturredakteur der Westdeutschen Zeitung, schrieb gut ein Jahr nach Arendts Tod aus Anlass der Herausgabe des Erzählungsbandes Die Festung der Tage im Jahr 1994: „[…] als Schriftsteller von besonderer Qualität muss [Arendt] noch entdeckt […] werden.“ Thomas Hoeps, Krefelder Autor und seit 2020 Leiter des Niederrheinischen Literaturhauses der Stadt Krefeld, urteilt im Vorwort zu dem Band über Arendt: „Er zählt zu den begabtesten Autoren, die diese Stadt je hervorgebracht hat.“

Die erhaltenen Veröffentlichungen Arendts wurden von Düsselberg im Sassafras Verlag herausgebracht beziehungsweise von ihm gedruckt. In sechs Ausgaben der Literatur in Krefeld sind zwischen 1986 und 1993 drei Erzählungen und neun Gedichte von Arendt veröffentlicht worden. Was in uns stirbt heißt Arendts erster eigenständiger Gedichtband, der in Düsselbergs Druckerei 1990 hergestellt, allerdings ohne Verlagsangabe publiziert wurde. Als Herausgeberin wird die Literaturwerkstatt Krefeld genannt.

Zwei weitere Titel Arendts wurden posthum veröffentlicht. Die Festung der Tage mit sechs Erzählungen und einem Vorwort von Thomas Hoeps erschien 1994, erneut herausgegeben von der Literaturwerkstatt. Der Band Die dröhnenden Krusten des Mutterbodens versammelt 91 Gedichte auf 72 Seiten. Das Buch erschien 1996, der Druck wurde gefördert durch die Stiftung Kunst und Kultur des Landes NRW.

Ingo Arendt wurde im Oktober 1993 tot aufgefunden, ein genaues Sterbedatum ist nicht bekannt. Dass er an Epilepsie litt und übermäßig trank, daran konnten sich noch viele Zeitzeugen erinnern, wenn sie sich ansonsten nur an wenig erinnern konnten. Mehr als ein Hinweis auf eine mögliche Todesursache ist das nicht.

Von Klaus M. Schmidt

Krefeld 

An beiden zitternden Brennpunkten 
Unterführungen. Ladenstraßen durch die 
Bauten, als wären wir Höhlenwesen. 

Die Stadt ohne Sehenswürdigkeiten 
voller sichtbarer Entwürdigungen: 
An kurzer Leine gezerrte Kinder 

über der Zukunft eines Landes, das 
einzig deutschen Doggen, Schäferhunden 
freien Auslauf gewährt. 

Am Schreibtisch Schuldtürme von 
Absagen als Niederlagen, die niemand gesteht 
beim Wühlen in Fotografien und Briefen 

Hilferufe auf Reise nach Süden, bevor 
die Überwachung aus dem Elternhaus 
gebieterisch mit Schlüsseln rasselt. 

Weitab das Lächeln von Freunden
zwischen lauernden Masken bisweilen 
der Aufschrei einer Faust. 

Allein verharren im Warten 
tagein, tagaus fragwürdiger 
das Wunder. 

(aus: Ingo Arendt: Die dröhnenden Krusten des Muterbodens. Gedichte. Sassafras Verlag, Krefeld 1996, S. 11.)