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Kolumne

Der Geist aus dem Smartphone

Der Geist aus dem Smartphone
© Nadine Redlich für Literatur Rheinland

Im Silicon Valley wird an der Unsterblichkeit geschraubt. Melanie Raabe findet das zum Gruseln.

– von Melanie Raabe

Bildrechte: © Nadine Redlich für Literatur Rheinland

Hier schreiben im Wechsel Christian Bartel, Juliana Kálnay und Melanie Raabe über Sätze, die ihnen hängengeblieben sind.

Als Kind hatte ich ein Faible dafür, mir heimlich Filme anzuschauen, für die ich eindeutig zu jung war. Mit Vorliebe zappte ich durch die Programme oder durchstöberte VHS-Kassetten, die nicht für mich bestimmt waren. Teils mit traumatischen Folgen. Ein Beispiel. Highlander – so zumindest erinnere ich mich daran – ist ein seltsamer Film über ein paar unsterbliche Schotten, die sich mit großem Enthusiasmus gegenseitig die Köpfe abschlagen. Denn nur so können sie sterben. Ich fand diesen Film damals sehr unheimlich und ausgesprochen mysteriös. Und ich mochte den Song zum Film: „Who Wants To Live Forever?“ von Queen. Damals, der Film ist von 1986, war die Frage danach, ob wir uns Unsterblichkeit wünschten, eine durch und durch rhetorische. Inzwischen hat sich das geändert.

Da ist zum einen das Bestreben von Firmen, Forschenden und Individuen, den menschlichen Körper in die Lage zu versetzen, ewig zu leben. Da wäre etwa der Tech-Millionär Bryan Johnson, der sich einem rigiden Regiment unterwirft, das aus sehr spezieller veganer Ernährung, einem ausgedehnten Fitnessprogramm, zahllosen Pillen täglich und jeder Menge weiterer Interventionen besteht, über die er enthusiastisch und regelmäßig auf YouTube berichtet. Ich pflege seine Videos, auf die ich durch einen Zufall stieß, in meiner Mittagspause im Homeoffice zu schauen, während ich ungesundes Essen in mich hineinstopfe – das perfekte Vergnügen.

Was mich indes beunruhigt, ist ein anderes Phänomen, das wie Bryan Johnson aus dem Silicon Valley kommt und ebenfalls dem Tod den Kampf angesagt hat. Nur aus gänzlich anderer Perspektive.

Vor einer Weile hörte ich erstmals in einem Podcast von einer Firma, die digitale Geister erstellt: Menschen, die das Ende nahen sehen, können eine Art Software-Backup von sich erstellen lassen. Sie übergeben ihre digitalen Hinterlassenschaften – Texte, Voicemails, Videos und so weiter – an ein Unternehmen, und dieses erstellt damit ein digitales Abbild. So ist es den Hinterbliebenen möglich, auch nach dem Tod der geliebten Person noch mit ihr zu kommunizieren. Zumindest digital. So als wäre sie gerade nur auf Reisen oder im Supermarkt.

„ Falls jemand nach meinem Tod einen digitalen Geist von mir erstellt, werde ich als tatsächlicher Geist zurückkommen und denjenigen heimsuchen. “

Ich habe dazu so viele Fragen. Wer nimmt diesen Dienst in Anspruch? Wer möchte mit einem individualisierten Chatbot sprechen, der sich als verstorbene Person ausgibt? Und was macht so ein virtueller Geist mit unserer Trauer? Ist unsere unsterbliche Seele schlicht die Summe unserer Tweets?

Digitale Geister gibt es natürlich schon lange, und mir sind sie ein wenig unheimlich. Wir kennen doch vermutlich alle die eine Person, die schon vor Jahren gestorben ist, deren Facebook-Account aber immer noch da ist.

In der Popkultur tauchen Geister für gewöhnlich in Schauergeschichten oder Gruselfilmen auf und sind meist nicht sonderlich freundlich gestimmt. Sie wollen etwas von denen, die sie heimsuchen. Sie wollen Rache, sie wollen gehört werden, oder sie stecken in einem Zwischenreich zwischen Leben und Tod fest und wünschen sich, gehen zu können.

Digitale Geister, wie sie im Silicon Valley geplant werden, wollen nichts mehr. Sie sind ein Gebrauchsgegenstand, eine Ware, die vermutlich per digitalem Abo bezahlt wird – wie Netflix oder diese Yoga-App, die man schon nach einer Woche nicht mehr nutzt.

Ich weiß nicht, was ich von alldem halten soll. Sicher weiß ich nur eines: Falls jemand nach meinem Tod einen digitalen Geist von mir erstellt, werde ich als tatsächlicher Geist zurückkommen und denjenigen heimsuchen, und kein Ghostbuster dieser Welt wird mich aufhalten können.

Melanie Raabe wünscht sich ein langes Leben, unsterblich wäre sie aber nicht so gerne. Falls sie als Geist zurückkäme, würde sie sich sehr über einen Besuch der Geisterjäger um Bill Murray freuen, denn auch Ghostbusters ist ein Achtziger-Jahre-Film, den sie als Kind sehr geliebt hat.