Kommende Woche (17. bis 22. April) startet die 8. Ausgabe der Poetica, dem Festival für Weltliteratur, organisiert von der Universität zu Köln. Wir sprachen mit Organisatorin und Dramaturgin Michaela Predeick über das diesjährige Programm, den allgemein schweren Stand der Lyrik und eine besondere Stimme aus China.
Das Konzept für die Poetica hat der Literaturwissenschaftler Günter Blamberger – der bis heute das Festival leitet – zusammen mit dem damaligen Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Heinrich Detering entwickelt. Von einem Gründungsmythos weiß ich nicht zu berichten, aber für die Grundidee des Festivals gibt es ein Vorbild aus dem Bereich der bildenden Kunst: die documenta in Kassel. Insofern finden sich bei der Poetica einige Parallelen zur documenta, zum Beispiel die Berufung von Kurator*innen, der Schwerpunkt auf internationalen und zeitgenössischen Künstler*innen oder der diskursive Anspruch, mit dem trotzdem ein breites Publikum erreicht werden soll. Mit der Größe und Dauer der documenta können wir aber natürlich nicht so ganz mithalten.
Das ist meist ein längerer Prozess, denn die Kurator*innen müssen recht viele Kriterien erfüllen: Sie sollten beispielsweise sehr gut in der internationalen Lyrikszene vernetzt sein, sie müssen sich wohl damit fühlen, eine ganze Woche lang auf Deutsch und Englisch Moderationen zu übernehmen, und vor allem müssen sie Zeit haben für die Vorbereitung. Wir führen darüber intern viele Gespräche, recherchieren selbst und lassen uns beraten – vor allem von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die das Festival von Anfang an begleitet.
Unser diesjähriger Kurator Christian Filips hat zur bevorstehenden Poetica zehn internationale Autor*innen eingeladen – darunter so prominente Namen wie Patti Smith und Kim de l’Horizon, aber auch Autor*innen, die in ihren jeweiligen Herkunftsländern schon recht bekannt sind, hier in Deutschland aber bisher noch nicht, wie etwa der indigene australische Dichter Lionel Fogarty. Als Themenschwerpunkt hat Christian Filips „Das chorische Ich – Writing in the name of“ gewählt. Der Chor spielt also eine Rolle – inhaltlich, aber auch ganz konkret in dem Sinne, dass zum Auftakt und zum Abschluss der Festivalwoche ein Poetica-Festivalchor die Auftritte der Dichter*innen begleiten wird. Die eingeladenen Dichter*innen wiederum praktizieren jeweils in ganz unterschiedlicher Weise ein „Schreiben im Namen von“ im Sinne einer poetischen Stellvertretung. Dabei stehen sie ein für verschiedene Communitys, aber beispielsweise auch für die Natur, wie die deutsche Autorin Daniela Danz.

Oh je, das ist eine schwierige Frage, auf die ich eigentlich nur spekulativ antworten kann. Zeit scheint jedenfalls kein großer Faktor zu sein, vielmehr gibt es eine starke Affinität zum Narrativen, auch jenseits der Literatur, gegen die die Lyrik sich behaupten muss. Hinzukommt, dass viele Menschen ein recht eindimensionales Bild von der Lyrik zu haben scheinen. Mit der Poetica versuchen wir darum auch zu zeigen, wie vielgestaltig und relevant die Gattung ist – und wie bühnentauglich.
Wir versuchen das ganze Spektrum im Blick zu haben, allerdings beziehen wir uns dabei schon auf den klassischen Literaturbetrieb und Autor*innen, von denen bereits Publikationen vorliegen, die Auszeichnungen erhalten haben und so weiter. Das schließt meines Erachtens niemanden aus, dessen Schreibkarriere bei Instagram ihren Anfang genommen hat. Bei der Auswahl der Autor*innen steht aber vor allem im Vordergrund, dass die Werke mit dem jeweiligen Themenschwerpunkt zu tun haben, den die Kurator*innen setzen, und natürlich, dass ein breites Spektrum an Sprachen vertreten ist.
Ich freue mich besonders auf die Abschlussveranstaltung „Poetry Workers“ am Samstagabend, 22. April, im Schauspiel Köln. Dort werden die Poetica-Autor*innen noch einmal auf der Bühne zu erleben sein, zusammen mit wunderbaren Schauspieler*innen aus dem Kölner Ensemble und dem Poetica-Festivalchor. Die Atmosphäre auf und hinter der Bühne ist am letzten Abend – nachdem man eine intensive Woche miteinander verbracht hat – etwas ganz besonderes.
Eigentlich müsste ich jetzt natürlich alle nennen, aber wenn ich mich entscheiden muss: Lest die chinesische Dichterin Zheng Xiaoqiong! Sie hat selbst jahrelang als Wanderarbeiterin in der Provinz Guangdong gearbeitet und vermittelt in ihrer Lyrik eindrücklich die Alltagswirklichkeit in den Fabriken ebenso wie die Auswirkungen des globalen Kapitalismus auf die Natur. Bisher liegt auf Deutsch leider noch kein kompletter Gedichtband von ihr vor, aber eine Auswahl ihrer Texte ist beispielsweise in der wunderbaren Anthologie „Chinabox. Neue Lyrik aus der Volksrepublik“ enthalten, die Lea Schneider 2017 im Verlagshaus Berlin herausgebracht hat.
Mehr Informationen zur diesjährigen Poetica finden Sie in unserem Veranstaltungskalender oder auf der offiziellen Website des Festivals.