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Kolumne

Schluss mit Liebe!

Ein gezeichnetes Männchen mit einem zerbrochenen Teller
© Nadine Redlich für Literatur Rheinland

Unsere Kolumnistin Melanie Raabe möchte weniger Dinge lieben und dafür mehr Dinge mögen.

– von Melanie Raabe

Bildrechte: © Nadine Redlich für Literatur Rheinland

Hier schreiben im Wechsel Christian Bartel, Juliana Kálnay und Melanie Raabe über Sätze, die ihnen hängengeblieben sind.

Diese Kolumne entsteht zum Teil am Valentinstag, an einem Tag also, an dem sich die Geister scheiden. Für die einen ist der Valentinstag romantisch. Und überhaupt: Soll man die Feste nicht feiern, wie sie fallen? Sind nicht alle feierwürdigen Anlässe irgendwie ausgedacht? Ist es da nicht egal, ob die Tradition alt ist oder jung?

Für die anderen ist der Valentinstag der Gipfel der kapitalistischen Perversion, nur ersonnen, um auch aus dem letzten menschlichen Bereich noch das Maximum an Finanzmitteln rauszupressen: aus der Liebe.

Ob man den Valentinstag nun als hübschen Anlass oder als zynische Masche der Floristikbranche wahrnimmt, ein Satz steht dabei im Vordergrund: Ich liebe dich.

Herzchendeko im Fitnessstudio

Als ich am Valentinstag erwachte, war dieser Satz plötzlich überall. Ich habe ihn gesagt, und jemand hat ihn zurückgesagt (nicht des Valentinstages wegen, aber so ging es am Morgen nun mal los). Er begegnete mir auf Social Media, in der Werbung, in Artikeln, auf Artikeln.

Überall ging es plötzlich um die Liebe. Auf Instagram sah ich erst ein Posting, in dem ich die Information erhielt, dass Hamburg erneut zur romantischsten Stadt der Welt gekürt worden sei, und hernach ein Video von einer Seite, die Tag für Tag hübsche Paris-Bilder postet. Das Video zeigte, wie sich die berühmte Glaspyramide vorm Louvre nach und nach mit roten Herzluftballons füllte, sich schließlich öffnete und die kleinen Umweltsünden in den Pariser Himmel entließ.

Als ich mich anschließend für einen Yogakurs im Studio bei mir um die Ecke interessierte und online den Stundenplan anschauen wollte, fand ich unter eben diesem als Schlusszeile der Website ein in stylischer Typo gesetztes „We love you“. Und im Fitnessstudio, in das ich ungerne gehe – daher ja das Interesse am Yogakurs –, war bei meinem Eintreffen gerade ein Mitarbeiter damit beschäftigt, Herzchendeko im Thekenbereich und auf den Geräten zu verteilen. (Nein, das denke ich mir nicht aus.)

„ Wer alles liebt, liebt nichts. “

Die Liebe ist kommerziell, das ist nichts Neues. Und doch fällt mir erst jetzt auf, wie inflationär der Begriff Liebe inzwischen verwendet wird. Auch von mir.

Gestern Abend habe ich ein Konzert besucht und war überrascht, dass nicht nur die Band, für die ich mir ein Ticket gekauft hatte, sehr gut war, sondern auch der Support-Act. Vor allem die Frontfrau hatte es mir angetan, und ich erinnere mich noch, dass ich mich zu meiner Begleitung beugte und ihr über die Musik hinweg ein „Die Sängerin ist der Wahnsinn! Ich liebe sie!“ zurief. Das ist einfach, wie ich inzwischen rede. Ich „liebe“ diesen Film; ich „liebe“ das Geräusch, das die zurückkehrenden Kraniche machen; ich „liebe“ die Februarsonne und meinen neuen roten Lippenstift; ich „liebe“ diese Pasta; ich „liebe“ die Katze der Nachbarn gegenüber, die sich auf dem Fensterbrett räkelt.

Viele von uns reden so. „Das liebe ich.“ Oder gerne auch verkürzt: „Liebs!“ Da ist natürlich überhaupt nichts dabei. Außer der Tatsache, dass es mit Worten so ist wie mit Dingen. Sie nutzen sich ab, wenn man sie häufig verwendet. Wer alles liebt, liebt nichts.

Kürzlich las ich einen Roman, in dem eine der Hauptfiguren nicht in der Lage war, „Ich liebe dich“ zu sagen. Und als sie es dann schließlich doch tat, hatte das eine enorme emotionale Wucht.

Ich denke, über Bücher, Lippenstifte und andere Dinge sage ich jetzt einfach öfter mal: „Ich mag.“ Was Katzen und Pasta betrifft, bleibe ich allerdings dabei: Liebs!

Melanie Raabe lebt in Köln. Dort liebt sie den Dom, den Rhein, die Kulturszene sowie ihre Freundinnen und Freunde. Deutlich weniger liebt sie Bausünden und Karneval.