Textstellen

Ostwärts

Wienke Treblin bewegt sich entlang der Wilhelmshofallee in Krefeld-Bockum.

1. Der Bus

Du findest das gefährlich
dass es mich beruhigt
aus dem Fenster zu schauen
zu den Villen

Deep Talk beim Fahren
Beim Gefahrenwerden
Nicht mit dem Fahrer sprechen
im Bus 54, meinem Rückzug

meiner Waffe gegen
Seifenblasenaugenblicke
und gegen Schnell, Kurz, Multi
Nichts

Du quatscht von love in layers
und Leben so satisfying
Ich von alles ist
heute so pop-up

Ermüdend dit Janze
Ich stell dich auf stumm
Schlummern als Angriff
im Bus 54, meinem Rückzug

Morgen, ach Morgen
wenn Welt fressen Seele auf
Und cracks
in der Morgenroutine

Dann geht nur
meine Villen-Betrachtung
mein Krafttier, mein Balsam
Meine KI sagt, was wahr ist

 

2. Der Park

Schritt für Schritt
ein alter Mann allein
und am Ufer Nutrias
Schilf und Schande
Kaiserwetter

Ein Kupferdach mit Lärchenholz
braune Rasenflächen mit
Kippenvegetation

Wir haben hier
oft gesessen, Schwesterlein
und du hast gesungen von Freiheit
Ich sprach von Geometrie
Die Formen
das Sichtbare hat immer eine Form
Eine Form von Gewalt, sagtest du
Symmetrie macht mir Angst
und wirbeltest mit deinem Undercut
wieder mal Staub auf
Der Geruch ist schön
trotz achteckiger Form
ein jedes Holz duftet anders
Wir umrunden den Pavillon

dein Finger blutet, für das Asymmetrische
hast du was
aus einer Ecke gepuhlt

Schritt für Schritt
ein alter Mann allein
und am Ufer Nutrias
Schilf und Schande
Kaiserwetter

 

3. Die Villen

Weißt du wie es sich anfühlt
unter der Zahnbürste zu sitzen
Wie neu und nach Verheißung
schmeckt der frühe Sommer

Weißt du wie die anderen dann
wild gestikulierend alle aufeinander
einreden nur du merkst es und
ich und wir sagen nichts

Weißt du wie alle rumtönen
als plötzlich das Bier alle ist
und einer noch ein Versteck kennt im Garten
mit warmem Wein und alle ziehen die Schuhe aus

Weißt du wie wir rennen hinter die Häuser
von Esters zu Lange, das Gras
kitzelt an den Sohlen wir
legen uns in den Richard Long

Weißt du wie die Augen sich weiten
bei dem ohrenbetäubenden Geräusch
das wir plötzlich gemeinsam vernehmen
Und keiner kapiert was passiert

Weißt du wie nass wir sind in Nullkommanix
Stoffe kleben an Körpern und Haare
an sommergeprossten Gesichtern die Blätter
ums ICHS von tausend Tropfen gebeutelt

Weißt du wie es sich anfühlt klatschnass
im Garagenhof auf roten Steinen
zu sehen wie du ihn küsst und einer macht
einen Joint an – ich weiß es.

 

4. Nice Frau, am Rande stehend

In ihr Feuer
Ein dadaistisches Manifest
Und die Luft ist in Streifen gerissen
Der Regen klopft einen Beat
Klänge, Geräusche, Kakophonie

Ich beobachte sie
Eine Montage
aus Bildern und Farbe
Die Hände an den Augen
formen einen Tunnel

Ich sehe sie
Ein künstlerischer Akt
Wie aus der Zeit gefallen
Die Wilhelmshofallee
entlangschlendern

Meine Haut spürt etwas
Es wirkt wie Wind
auf den Kopf gestellt
Ist aber nur Sehnsucht
als Performance

Ich spreche von Seele
Sie von Fluxus
Das Wasser von oben
frisst die Gedanken auf
Sie schminkt sich

Der Vorhof
wird voller
On my mind, alle quatschen
So impro!
Absurdes Theater

Sie, lässig
bricht durch die Wolken
redet mit jedem
Ich steh still
auf der Allee

Vita

Wienke Treblin, geboren 1973 in Rotenburg (Wümme), lebt seit ihrem Designstudium in Krefeld. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Niederrhein, als Kulturpädagogin bei Mobifant Krefeld und als Projektassistenz bei den Kunstmuseen Krefeld. Durch ihre Mitarbeit bei den Kunstmuseen und damit auch in den Häusern Esters und Lange hat sie schon viel Zeit in der Gegend östlich der Innenstadt rund um die Wilhelmshofallee verbracht, als Beobachterin, sowohl im Bus der Linie 54, im Kaiserpark oder einfach nur spazierend zwischen den geschichtsträchtigen Gebäuden. Als freie Illustratorin und Autorin erschienen von ihr bisher drei selbstgeschriebene und illustrierte Lyrikbände sowie zahlreiche Beiträge in Literaturzeitschriften, Anthologien sowie Illustrationen diverser Art.