Autor*innen-Porträts

Thomas von Kempen

um 1380 – 25. Juli 1471

Thomas von Kempen

Autor und Ort

Der Mönch und geistliche Schriftsteller Thomas von Kempen wurde um das Jahr 1380 in eben jenem Kempen am Niederrhein geboren. Sein Geburtshaus befand sich auf dem Kirchplatz, ungefährt dort, wo heute das Haus An St. Marien 11 steht. 1901 wurde auf dem Platz ein Denkmal errichtet, das ihn mit seinem wichtigsten Werk, der „Nachfolge Christi“, zeigt. Im Ort pflegen ein Thomas-Verein, eine Thomas-Stiftung und ein Thomas-Archiv das Andenken des berühmten Sohnes der Stadt. Bis 1985 existierte ein aus einer gleichnamigen Buchhandlung 1909 hervorgegangener Thomas-Verlag, der bisweilen auch nicht-religiöse Literatur veröffentlichte. Außerdem ist das 1659 gegründete hiesige Gymnasium Thomaeum nach Thomas benannt.

Leben und Werk

Ende des Jahres 1379 oder Anfang 1380 – in welchem Jahr genau Thomas von Kempen geboren wurde, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Unumstritten jedoch ist der Geburtsort, nämlich Kempen, nahe der heutigen Propsteikirche St. Mariae Geburt. Thomas von Kempen war der zweite Sohn des Handwerkers Johann Hemerken und dessen Frau Gertrud Kuyt, die vermutlich Lehrerin war.

Zunächst besuchte er die Kempener Lateinschule, mit 13 Jahren wechselte er auf die Stadtschule im niederländischen Deventer und folgte damit seinem Bruder Johannes. Dort entstand die religiöse Erneuerungsbewegung „Devotio moderna“ („zeitgemäße Frömmigkeit“). Thomas von Kempen wurde Mitglied in der Ordensgemeinschaft „Brüder des gemeinsamen Lebens“, was ihn und seine spätere Arbeit prägte.

Thomas von Kempen muss eine innige Verbindung zu seinem etwa 15 Jahre älteren Bruder gehabt haben, denn 1399 folgte er diesem ins niederländische Zwolle und trat als Laie in das neugegründete Augustinerkloster St. Agnetenberg ein, dessen erster Prior sein Bruder seit 1398 war. Hier lebte er über 70 Jahre lang bis zu seinem Tod. Eine Zeit lang hielt er sich in Arnheim auf, wo er seinen erkrankten Bruder bis zu dessen Tod begleitete und pflegte.

1406 wurde er für den Orden eingekleidet, ein Ritus im Christentum, welcher die Übergabe des Ordensgewands an ein neues Mitglied innerhalb einer Gemeinschaft beinhaltet. Einige Jahre später, 1413 oder 1414, wurde er zum Priester geweiht.

Neben dem Abschreiben geistlicher und liturgischer Schriften, eine zentrale Aufgabe innerhalb eines Ordens, begann Thomas von Kempen um 1420, eigene Werke zu verfassen, darunter Predigten und Gebete, aber auch Hymnen und Lieder. Es entstanden 36 Werke unterschiedlicher Art, welche in verschiedenste Sprachen übersetzt wurden. Seine heute bekannteste Schrift, De imitatione Christi (Über die Nachfolge Christi), wurde 1418, zunächst anonym, auf Latein veröffentlicht. Darin fasste Thomas von Kempen Gedanken einer mittelalterlichen, mystischen Denkschule zusammen. Wer das Buch tatsächlich publizierte, war lange Zeit umstritten, mittlerweile bestehen keine Zweifel an der Autorenschaft.

Die Nachfolge Christi war beliebt unter Christinnen und Christen beider Konfessionen, Jesuitinnen und Jesuiten zollten dem Werk Anerkennung, indem sie es zum Leitfaden ihrer Exerzitien, des spirituellen Kerns des Ordens, machten. Es beeinflusste, auch nach Jahrhunderten, Prediger und Priester, etwa John Wesley, einen der Begründer der methodistischen Bewegung, oder den ebenfalls vom Niederrhein stammenden Gerhard Tersteegen, einen bedeutenden Mystiker des reformierten Pietismus.

Das Buch zählt heute mit über 3000 Ausgaben zu den am weitesten verbreiteten geistlichen Schriften nach der Bibel überhaupt. 1000 davon werden allein in der British Library in London aufbewahrt. Eine handschriftliche Übersetzung ins Deutsche aus dem Jahr 1434 wird in Köln verwahrt. Viele seiner anderen Werke befinden sich in der Königlichen Bibliothek in Brüssel.

Thomas von Kempen starb im Alter von 91 Jahren im Juli 1471. Die Gebeine liegen seit 2006 in einem Schrein in der Liebfrauenbasilika in Zwolle.

Von Nina Höhne

Nachfolge Christi (Auszug, 1418)

Glaube nicht jedem Worte und traue nicht jedem Geiste. Prüfe vielmehr alles / denn die Prüfung ist notwendig / und prüfe es wie vor Gott / mit aller Achtsamkeit und Beharrlichkeit. Prüfe / denn leider glauben und reden wir von andern weit lieber Böses als Gutes / so schwach sind wir. Nicht so der vollkommene Mann! Er glaubt nicht jedem Geschwätz. Denn er kennt den schwachen Sinn der Menschen und weiß wohl / wie sie zum Bösen so geneigt und im Reden so gebrechlich sind.

O es ist große Weisheit / nicht so vorschnell und wie in blinder Hitze zu handeln / auch nicht so fest und unbeugsam auf eigenem Sinn und Dünkel zu bestehen! Auch das ist Weisheit / nicht jedes Menschenwort für wahr zu halten und / was man etwa gehört und geglaubt hat / nicht sogleich nachzuerzählen und in fremde Ohren zu übertragen. Suche dir einen Mann aus / der gewissenhaft und weise ist / und sein Rat sei dir heilig in allem! Gehe lieber zu dem bessern Mann in die Schule als zu deinem Eigendünkel. Gut sein und fromm leben / das macht weise vor Gott und gibt einen bewährten Sinn. Je demütiger und gottergebener du bist / desto weiser wirst du und ruhiger in allem.

(zitiert nach: Thomas von Kempen: Nachfolge Christi. Nach der Übersetzung von Johann Michael Sailer, Erstausgabe 1792, hrsg. von Walter Kröber, Erstausgabe 1954, Reclam, Stuttgart 2005, S. 13.)