Autor*innen-Porträts

Emil Barth

6. Juli 1900 – 14. Juli 1958

Emil Barth
© picture-alliance / dpa

Autor und Ort

Der Schriftsteller Emil Barth wurde am 6. Juli 1900 im Becherhus an der Kaiserstraße 47 geboren. Das Schieferhaus aus dem 18. Jahrhundert beherbergt heute eine Gaststätte, die mit einem „Emil-Wein“ an den früheren Bewohner erinnert. Die Familie zog kurze Zeit später ein paar Häuser weiter in die Kaiserstraße 53. Dort, am damaligen Marktplatz des teils bäuerlichen, teils schon industriellen Haan, betrieb der Vater eine Buchbinderwerkstatt. Das dazugehörige Ladengeschäft „Schreibwaren Max Barth“ wurde noch jahrzehntelang von Familienmitgliedern fortgeführt. Die Denkmalbeschilderungen beider Häuser erwähnen den Schriftsteller. Barth besuchte in Haan ab 1910 die Rektoratschule, die von 1960 an bis zu ihrer Auflösung 2022 den Namen „Emil-Barth-Realschule“ trug. Nach Zwischenstationen in Düsseldorf und Xanten lebte er von 1943 bis 1955 wieder dauerhaft in seiner Geburtsstadt. 1984 richtete die Stadt ein von der Stadtbücherei betreutes Emil-Barth-Archiv ein. Seit 2021 werden im öffentlichen Raum von einem Haaner Künstler Steine mit Zitaten des Schriftstellers an markanten Punkten in der Stadt verlegt. In Düsseldorf erinnert die Emil-Barth-Straße im Stadtteil Garath an den Autor.

Leben und Werk

Das Werk des ersten Trägers des Großen Kunstpreises des Landes Nordrhein-Westfalen für Literatur (1953) beinhaltet die theoretische Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit, das tagebuchartige Festhalten der erlebten Gegenwart als das Bemühen um ein Fundament der eigenen Existenz und das Element der Erinnerung. Immer wieder findet sich jedoch auch Humoriges und später sogar leicht Surrealistisches.

Der aus Schlesien stammende Vater war auf der Gesellenwanderschaft ins dörfliche Haan gekommen, wo Emil Barth am 6. Juli 1900 geboren wurde. Der Tod der Mutter 1910 und zuvor der ältesten Schwester prägten seine frühen Texte und auch die Elegie Totenfeier (1928).

Die großen Kindheitserzählungen und Sittengemälde Das verlorene Haus (1936) und Der Wandelstern (1939) schildern auch das Spannungsverhältnis zwischen dem handwerklichen Ethos und Ernst des Vaters und dem fantasievollen, trotzigen Davonstreben des Kindes, das gleichzeitig auf Anerkennung seiner dichterischen Ambitionen hofft.

Nach einer Ausbildung zum Buchdrucker in Werdohl und entsprechenden Angestelltentätigkeiten in der Heimat zog Barth 1922 nach München; die zehn Jahre, die er dort verbrachte, stehen für den mühsamen Weg zum freien Schriftsteller. 1932 kehrte er ins Rheinland zurück. In Düsseldorf hatte er Jahre zuvor die Kunstgewerbeschülerin Erika Engelbrecht kennengelernt, 1936 heiratete das Paar. Nachdem ihre Wohnung durch einen Luftangriff unbewohnbar wurde, übersiedelten sie 1942 nach Xanten und 1943, nach einem kurzen Aufenthalt bei Barths Bruder Carl in Mettingen, nach Haan.

Zum vielfältigen Werk Barths gehören der Essay Georg Trakl (1937), Gedichte (1938/1942) und Das Lorbeerufer (1942). Der Roman, eine freie Nachdichtung des Schicksals der antiken Dichterin Sappho, stellt nicht die einzige Frucht des Italien-Aufenthaltes 1939 dar, die Barth eine neue Welt eröffnete.

Die Haaner Wohnung, in der Barth bis 1955 lebte, wurde zum Ruhepol und Ausgangspunkt für den Briefwechsel mit alten Bekannten und neuen Begegnungen aus der Literaturszene der Nachkriegsjahre in der jungen Bundesrepublik. In diese Zeit fallen auch Lemuria – Aufzeichnungen und Meditationen (1947), Xantener Hymnen (1948) und Enkel des Odysseus (1951), die alle den Zweiten Weltkrieg thematisieren, sowie Im Zauber von Paris, ein Band, dem der Aufenthalt in der französischen Hauptstadt 1952 zugrunde liegt. Tigermuschel (1956) wiederum zeugt von einer Weiterentwicklung in Barths Gedichten.

Von 1955 bis zu seinem Tod am 14. Juli 1958 lebte der lange Jahre gesundheitlich angeschlagene Barth in Düsseldorf, wo er auf dem Nordfriedhof beigesetzt ist und später eine Straße nach ihm benannt wurde. Grabstein und Gedenkplatte befinden sich heute einige Meter vom Grab entfernt an einer Weggabelung.

Der Nachlass des als Vertreter der Inneren Emigration geltenden Schriftstellers im Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf birgt mehrere Tausend Schriftstücke, einen lebensnahen Einblick bieten die Briefe aus den Jahren 1939-1958.

Von Martin Banniza

Besuch in der Heimat

Wiederkehrend als Gast, eingeladen von meinem
Eigensten Heimweh, dem alles gehört,
Geh ich umher, verweilend bei Kleinem:
Unscheinbares allein blieb unzerstört.

Fuß, o mein Fuß, nun fühlst du die Pfade
schmal unter dir und von kindlichem Schwung!
Augen, ihr Augen, auf höherem Grade
Sucht ihr umsonst Erinnerung!

Über die Sträucher hinweg, die nicht stiegen,
Schaut ihr in Landschaften ohne Nest.
Wo sind die fröhlichen offenen Wiegen?
Wo im Gedörn hängt der Sommerwind fest?

Neigt euch nicht nieder zum spiegelnden Teiche,
Laßt euch genügen des Efeus Gerank.
Glaubt, daß es winkend die Tiefe erreiche.
Drinnen im Bildnis der Knabe ertrank.

(aus: Emil Barth: Gedichte. Zweite, neu geordnete und vermehrte Auflage, H. Goverts Verlag, Hamburg 1942.)