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Kolumne

Leuchten und leuchten lassen

Ein Cartoon-Männchen liegt unter eine Lampe
© Nadine Redlich für Literatur Rheinland

Unserem Kolumnisten Christian Bartel geht in der dunklen Jahreszeit ein Licht auf. Und nicht nur eines.

– von Christian Bartel

Bildrechte: © Nadine Redlich für Literatur Rheinland

Hier schreiben im Wechsel Christian Bartel, Juliana Kálnay und Melanie Raabe über Sätze, die ihnen hängengeblieben sind.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich finde Energiesparen super. Für mich gibt es nichts Schöneres, als dem Klimawandel ein eiskaltes Schnippchen zu schlagen und fossilen Autokraten in der ungeheizten Stube zu trotzen. Ab Oktober verschanzen meine Freundin und ich uns unter Wolldecken und verweigern mit entschlossen zitternder Hand den Zugriff auf unseren Gashahn. Unser kaltes Wohnzimmer ist ein politischer Ort und die Eisblume am Fenster ein Zeichen jener Kriegstüchtigkeit, die Boris Pistorius, die feldgraue Resilienz der deutschen Sozialdemokratie, erst kürzlich von der Gesellschaft eingefordert hat.

Das ist natürlich Unsinn, klingt aber gut. Zum einen wachsen im Rheinland kaum Eisblumen, und zum anderen drehen wir die Heizung natürlich doch irgendwann auf.

Die Sache hat eher mit Marotte als mit Moral zu tun. Vollkommen unabhängig von der Weltlage sind wir Kurzduscher und Seltenheizer. Nur bei der Illumination sind meine Freundin und ich uns uneins. Denn ich bestehe hartnäckig auf meiner Festbeleuchtung.

Meine Prunklumineszenz funzelt als Energiesparbirne von sieben Watt in meiner Schreibtischlampe, die ich mit einem Deckenlicht ähnlicher Strahlkraft kombiniere. Manchmal schalte ich sogar die Stehlampe an. Nur so aus Trotz. Weil ich es kann. Und weil ich wirklich schlecht sehe. Meine Freundin findet drei Lichtquellen in einem Raum obszön verschwenderisch. Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da.

„ Ausnahmslos knipst die Frau dem Mann das Licht aus. “

Unabhängige Untersuchungen in meinem Freundeskreis haben ergeben, dass Frauen deutlich lichtscheuer sind als Männer. Durchschnittlich 1,2 Lichtquellen werden dem Partner zur eigenständigen Nutzung zugebilligt, jedes zusätzliche Lumen schaltet frau konsequent als frivole und stets so benannte „Festbeleuchtung“ ab. Zwar gelten diese Ergebnisse nur für die untersuchte Alters- und Sozialkohorte von insgesamt sechs Heteropersonen jenseits der 40, dort aber ohne Ausnahme. Ausnahmslos knipst die Frau dem Mann das Licht aus. Es geht zu wie in den Kriminalromanen von Ingrid Noll.

Dieselbe unabhängige Untersuchung hat auch ergeben, dass Männer gar nicht in der Lage sind, eine Festbeleuchtung als solche zu erkennen. Oder überhaupt irgendeine Beleuchtung. Nur so ist es zu erklären, dass ich mein frevelhaftes Lichtermeer zuweilen unbeaufsichtigt brennen lasse.

Spätestens dann tritt meine Freundin mild empört vor mich hin und sagt den ewig gültigen Mahnsatz, der seit Generationen ausschließlich matrilinear vererbt wird: „Jetzt mach doch mal deine Festbeleuchtung aus.“

Mit diesem Urtadel wurde schon die Schöpfungsgeschichte auf ein energetisch vertretbares Maß zurechtgestutzt. Der Herr bekam seinen Willen: Licht durfte es werden, aber eine Festbeleuchtung hatte zu unterbleiben. Und als Thomas Alva Edison im besonders dunklen Januar des Jahres 1880 die elektrische Glühbirne erfand, seinen Erfinderschuppen aber kurz verließ, wurde sie von Gattin Mary Edison flugs zur Festbeleuchtung erklärt und ausgeschaltet. Seither wird der Geschlechterkampf am Lichtschalter ausgefochten.

Das ist natürlich ebenfalls Unsinn, klingt aber gut. Selbstverständlich sind Frauen in der Lage, eine Festbeleuchtung zu entzünden, wie Männer imstande sind, dieselbe abzuschalten.

Dass es meist andersherum geschieht, liegt einzig an historisch überkommenen Lichtbildern und den binären Schaltern in den Köpfen und an den Wänden.

Um diesem einschränkend heteronormativen Beleuchtungskorsett zu entfliehen, erwägen wir langfristig die Anschaffung einer Lichtorgel, die unsere Innenbeleuchtung nach einem basisdemokratischen Zufallsprinzip steuert und alle Räume in den diversen Farben des Regenbogens erhellt. Für die anstehende dunkle Jahreszeit haben meine Freundin und ich aber erst einmal beschlossen, statt auf die Heizung auf sämtliche künstlichen Lichtquellen zu verzichten. Winterschlaf braucht schließlich keine Festbeleuchtung.

Christian Bartel fordert einen utopischen Sonnenstaat, alle Tage Festbeleuchtung und eine Discokugel in jede Hütte.