Textstellen

Im Vierteltakt

Patrick Salmen über das Wuppertaler Luisenviertel.

Heimat, das ist ein Ort ohne Raum
Ein Bild das mir bleibt, wenn alles zerrinnt
Heimat, das ist etwas Vages, ein Ton vielleicht
Der Duft eines Ofens, ein flüchtiger Satz, ein vages Empfinden

Womöglich auch nur eine Ahnung
Oder die Erinnerung an eine Erinnerung
Ein leises Geräusch, zwei Schritte im Hausflur
Und draußen tapsende Zeitlupenschuhe auf Kopfsteinpflaster

Vor den tausenden Treppenstufen
Scheint die Welt wie im Weichzeichnerfilter
Hinter den Fenstern und blassbunten Hausfassaden
Da erzählen sie Geschichten und trotzen dem Fortgang der Zeit

Heimat, das ist ein ganz helles Licht
Das ist der Geruch von Wein und Lakritz
Das sind klirrende Gläser. Ein Hoch auf die Nacht!
Es ist Sommer, die Luft mild, flimmernd und so voller Rauch

Womöglich ein ganz kurzer Zeitpunkt
Der uns die Gewissheit gab, hier zu bleiben
Ein Mensch, der uns ansah. Ein Wort, vielleicht
Nur ein Blick, etwas wie Sehnsucht, ein vertrautes Gesicht

Und hier im Schatten des Ölbergs
Da tanzen sie und singen ein Lied für Luise
Zelebrieren das Leben, zertrümmern die Nacht
In diesem seltsamen Viertel, in dieser seltsamen Stadt

Vita

Patrick Salmen ist freiberuflicher Autor und Satiriker. 1985 wurde er in Wuppertal geboren und lebte lange im Luisenviertel, wo er sich bis heute zu Hause fühlt. Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte gewann er 2010 die deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam und arbeitet seitdem als Schriftsteller, Sprecher und Bühnenkünstler. Er veröffentlichte diverse Lyrik- und Kurzgeschichtenbände, spielte bereits mehrere Livetouren und veranstaltet eigene Literaturformate.