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Fremd

Pegah Ahmadi über ihre Lebenserfahrungen im Stadtteil Porz.

Ich starre auf den Boden, der schluckt,

auf die Straße, die erstarrt ist

auf die Menschen

die wie schnelle Objekte an mir vorbeigehen

sie schneiden die Luft

wie ein Messer

sie gehen durch meinen Körper wie Glas

ohne eine Spur zu hinterlassen

dann verschwinden sie

wie Baumwollpartikel.

sie sind zu neutral

zu gespenstisch

zu unsichtbar, von Pollen absorbiert.

ihre Assimilation entsetzt mich

und ihre Macht,

                      die Umgebung zu ignorieren

Ich lege meine Hände auf das Zentrum des Bodens

wo das Herz seinen kleinen Brunnen erreicht

denn ich hatte mein ganzes Leben lang

etwas zu fühlen

etwas zum anfassen.

Ich war noch nie in meinem Leben so heftig allein.

Integration ist eine Illusion.

Ansonsten habe ich mein Bestes getan.

Vita

Pegah Ahmadi, in Iran geboren, lebt heute als Lyrikerin, Übersetzerin und Literaturkritikerin in Köln. Sie studierte persische Sprach- und Literaturwissenschaften und ist Mitglied des iranischen Schriftstellerverbands. 2009 kam sie auf Einladung von ICORN nach Frankfurt am Main, wo sie zwei Jahre lang literarisch tätig war. Anschließend war sie ein Jahr lang Gastpoetin an der Brown University in Providence, Rhode Island (USA). In den Iran kehrte sie nicht zurück. 2013 war sie für den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil nominiert, im selben Jahr erhielt sie den Khorschid-Preis für iranische Lyrikerinnen. Pegah Ahmadi lebt seit 2014 in Köln-Porz.