Autor*innen-Porträts

Hermann Harry Schmitz

12. Juli 1880 – 8. August 1913

Hermann Harry Schmitz
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Autor und Ort

Hermann Harry Schmitz wurde in Düsseldorf geboren und verbrachte – mit Unterbrechungen – fast sein ganzes, wenn auch  kurzes Leben in der Stadt am Rhein. Beim literarischen Stammtisch im Bier- und Weinlokal „Zum Rosenkränzchen“, das in der Altestadt 1 in der Düsseldorfer Altstadt lag, schloss er Freundschaft mit Hanns Heinz Ewers und Herbert Eulenberg, die seine schriftstellerische Arbeit förderten. Er schrieb für den Düsseldorfer „General-Anzeiger“ und verfasste Einakter für den Akademischen Verein „Laetitia“, eine Verbindung aus Studierenden und Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie. Schmitz wurde auf dem Nordfriedhof begraben, das Grab ist inzwischen jedoch eingeebnet. 1990 gründete sich in Düsseldorf die Hermann-Harry-Schmitz-Societät, die mit einem kleinen Museum im Uhrenturm der ehemaligen Haniel-Werke an der Grafenberger Allee an den heimischen Satiriker erinnert. Im Stadtteil Oberbilk ist eine Straße nach ihm benannt.

Leben und Werk

Nicht selten verbirgt sich hinter Witz und Skurrilität eine ungenannte Trauer. So mag es auch bei Hermann Harry Schmitz, geboren 1880 in Düsseldorf, gewesen sein, der seine bürgerliche Umwelt in beißenden Satiren aufs Korn nahm und persönlich an einer unheilbaren Krankheit litt.

Der Sohn eines Fabrikdirektors besuchte in Düsseldorf das Realgymnasium, bis bei dem 16-Jährigen Tuberkulose diagnostiziert wurde. Eine lebensbedrohliche Krankheit, gegen die es damals kein wirksameres Heilmittel gab als eine Luftkur, die er auf Korsika verbrachte. Nach der Rückkehr und dem Abschluss seiner Mittleren Reife schlug Schmitz eine kaufmännische Laufbahn ein.

Seine Liebe aber galt der schalkhaften Literatur. Die erste Veröffentlichung 1906 erfolgte gleich im bekannte Münchener Satireblatt Simplicissimus. In den folgenden Jahren bis zu seinem frühen Tod 1913 verfasste Schmitz seine Satiren dann für den Düsseldorfer „General-Anzeiger“. Später wurden diese zu Büchern zusammengefasst und erschienen in den Verlagen von Rowohlt und Kurt Wolff, in letzterem 1916 unter dem Titel Buch der Katastrophen. Es sind Kurzgeschichten über alltägliche Themen, die sich im Verlauf der zugespitzten Handlung ins Groteske steigern. So artet der Kauf einer Bluse im mehrstöckigen Warenhaus zu einer Odyssee aus und entlarvt zugleich die Eitelkeit der Käuferin. In einer anderen Geschichte wird ein Straßenbahnfahrgast mit übertriebenem Helfersyndrom zum Opfer seiner eigenen guten Absichten. Neben solch skurrilen Feuilletons schrieb Schmitz auch kleine Stückchen für studentische Theateraufführungen. Ein früher Einakter von 1907 spielt in einer Nervenheilanstalt beim Besuch eines Königs. Noch bei der Generalprobe wurde die Aufführung wegen Majestätsbeleidigung untersagt. Bücher mit seinen Texten wurden durch die Jahrzehnte hindurch immer wieder neu aufgelegt.

Hermann Harry Schmitz, der seit seinem ersten Bucherfolg 1911 als freier Schriftsteller lebte, trat auch gern als dandyhafter Conférencier bei Veranstaltungen auf. Wegen seiner Tuberkulose-Erkrankung musste er aber immer wieder Sanatorien aufsuchen. Im Kurort Bad Münster am Stein nahm er sich schließlich das Leben.

Von Ernst Müller

Vereinfachung im Eisenbahn-Verkehr – Eine Katastrophe

Der Vater will nach Cottbus. Er hat die Fahrkarte Berlin-Cottbus. Die Fahrkarte nützt dem Vater nichts. Der Vater ist ratlos.

Die Fahrkarte gilt für den Eilzug. Der Eilzug ist schon fort. Der Vater will in den Schnellzug steigen. Der Vater darf es nicht. Der Vater weint. ­–

Ein Schnellzug ist kein Eilzug. Wenn man schnell ist, eilt man nicht. Wer eilt, ist nicht schnell. Die Eile ist langsam. Der Vater hat Eile, will mit dem Schnellzug fahren. Das darf er nicht. Der Vater reißt sich ein Büschel Haare aus. ­–

Die Fahrkarte des Vaters hat keinen Längsstrich. Hätte sie einen Längsstrich, so könnte er mit dem Schnellzug fahren. Der Längsstrich ist rot. Der Vater braucht Zuschlagskarten. Es gibt Zuschlagskarten mit breiten Längsstreifen. Der Streifen ist gelb. Der Streifen ist manchmal grün. Der Streifen kann auch braun sein. –

Der Vater geht an den Schalter. Der Vater kauft eine Zuschlagskarte. Der Vater hat einen braunen Streifen. Der braune Streifen nützt dem Vater nichts. Der braune Streifen gilt bis Lübben. Der Vater will nach Cottbus. Der Vater hat in Lübben nichts zu tun. Die Sache geht nicht. Der Vater rennt mit dem Kopf gegen die Wand. –

Der Vater muß eine andere Zuschlagskarte haben. Er braucht einen grünen Streifen. Der Vater will eine Zu­schlagskarte bis Cottbus. Eine Zuschlagskarte bis Cott­bus gibt es nicht. Der Vater muß eine Zusatzkarte bis Schleife kaufen. Der Vater will nicht nach Schleife. Der Vater hätte eine Sammelkarte nehmen müssen. Der Vater hat das nicht gewußt. Der Vater wird tobsüchtig. –

Man bringt den Vater in die Irrenanstalt. Der Vater wird von den Wärtern totgeprügelt. Der Vater kommt in den Himmel. Die Strecke nach dem Himmel ist über 150 Kilometer. Der Vater braucht hierzu keinen roten Längsstrich und keinen bunten Streifen und keine Sam­melkarte. Der Vater frohlockt über diese Vereinfa­chung.

(aus: Hermann Harry Schmitz: Vereinfachung im Eisenbahn-Verkehr – Eine Katastrophe. In: Der Querschnitt, Heft 1. Propyläen-Verlag, Berlin [u.a.] 1921, S. 80.)