Autor*innen-Porträts

Heinz Risse

30. März 1898 – 17. Juli 1989

Heinz Risse
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Autor und Ort

Heinz Risse, in Düsseldorf geboren und aufgewachsen, ließ sich in den 1930er Jahren als einer der ersten vereidigten Wirtschaftsprüfer in Solingen nieder. Dort baute er für sich und seine Familie ein Haus in der Tersteegenstraße im Stadtteil Oberflachsberg, später, nach dem Tod seiner Frau, lebte er in zweiter Ehe im Stadtteil Kohlsberg. 1974 erhielt Risse den Kul­tur­preis der Stadt Solingen, 1975 erschien sein Buch Solingen, so wie es war als Teil einer Reihe des Düsseldorfer Droste Verlags, in dem neben Texten zur Geschichte auch historische Fotos versammelt sind. Zu sei­nem 90. Ge­burts­tag stif­te­te er ei­nen Preis für Li­te­ra­tur­kri­tik, der sei­nen Na­men trägt. Risse starb am 17. Juli 1989 in Solingen und ist auf dem Gräfrather Kommunalfriedhof beigesetzt. Dort ziert ein in Stein gemeißeltes Buch sein Grab.

Leben und Werk

Heinz Risse begann – recht ungewöhnlich – erst im Alter von fast 50 Jahren mit dem Schreiben. 1898 in Düsseldorf geboren, diente er im Ersten Weltkrieg als Soldat und studierte anschließend Wirtschaft und Philosophie in Marburg, Frankfurt und Heidelberg. Seine Promotion legt er beim berühmten Soziologen Alfred Weber ab. In den 20er Jahren arbeitete er im Ausland und lebte seit 1932 wieder in Deutschland, kurzzeitig in Bayern, dann bis zu seinem Tode 1989 in Solingen. Von Beruf war er Wirtschaftsprüfer. Dieser Beruf war ihm wichtig. Risse legte zwar seit 1948 bis Mitte der 60er Jahre so gut wie jedes Jahr ein neues Buch vor, wollte aber nicht von der Schriftstellerei allein leben. Sein Schreiben diente ihm eher als Form der Selbstverwirklichung. Vom Literaturbetrieb hielt er sich fern. Dennoch gehörte er mit einer kurzen Unterbrechung von 1952 bis 1984 dem deutschen PEN-Zentrum an, der angesehenen internationalen Vereinigung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern. 1956 wurde er mit dem Immermann-Preis seiner Heimatstadt Düsseldorf ausgezeichnet, 1974 erhielt er den Kulturpreis der Stadt Solingen.

In seinen Erzählungen und Romanen thematisiert Risse moralische Grenzerfahrungen von   Schuld, Sühne und Sinnleere. Themen, die nach den materiellen und geistigen Verwüstungen der Zeit des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkriegs quasi in der Luft lagen und die Gesellschaft beschäftigten. So drückt er in der historischen Erzählung Schlangen in Genf von 1951 die Schuld, die die Protagonisten durch Ehebruch, Verleumdung und Mord auf sich laden, in der anschaulichen Metapher einer Schlangenplage aus. Die giftigen Schlangen befallen die Häuser der Schuldigen und erinnern sie dadurch ständig an ihre moralische Verfehlung. Die abergläubische Umwelt des 16. Jahrhunderts neigt dazu, den Schlangenbefall als Strafe Gottes zu werten. In Wahrheit aber geht die Plage auf einen Sohn des Opfers zurück, der die ursächliche Intrige an seinem Vater rächen will. So mischen sich in der Erzählung schicksalhafte Verstrickung und rational nachvollziehbare Psychologie. Auch in dem Justizroman So frei von Schuld geht es um das Sühnethema: Ein Unschuldiger wird wegen Mordes verurteilt und begeht erst nach seiner Haftentlassung die Untat, die ihm fälschlicherweise vorgeworfen wurde. In Risses Roman Dann kam der Tag von 1953 zieht ein Fabrikbesitzer im vorgerückten Alter eine kritische Bilanz seines Lebens und zerstört daraufhin in bitterer Selbsterkenntnis sein eigenes Lebenswerk.

Risse wandte sich in seinen Schriften auch gegen den Materialismus der Zeit und die Phrasenhaftigkeit in der Sprache der Gesellschaft.

Von Ernst Müller

Schlangen in Genf (Ausschnitt aus Erzählung)

 „Was wisst Ihr von meinen Sünden?“, fragte sie. „Was ich von Euren Sünden weiß?“ antwortete der Mann. „Nicht viel möglicherweise … es würde mir vielleicht den Schlaf rauben, wenn ich mehr davon wüsste…“ Sein Blick wurde plötzlich spöttisch: „Was habt Ihr soeben aus dem Fenster geworfen?“ fragte er. – Frau Ferville zitterte. „Aus dem Fenster?“ wiederholte sie; gleichzeitig wurde ihr klar, dass es zwecklos war, in diesem Gespräch um Zeitgewinn zu kämpfen, ein Geständnis würde notwendig sein. Trotzdem schwieg sie. – „Ja. In den Garten“, sagte der Mann. Sie konnte sich nicht zu dem Geständnis entschließen. Wer immer sie beobachtet hatte: auch die schärfsten Augen können sich täuschen, und die Schlange lag nicht mehr dort, wo sie niedergefallen war. – „Ich weiß nicht, was Ihr meint“, erwiderte sie. „Ihr wisst nicht…“, sagte der Mann. „Das … das hier sind Teufelskunststücke… man muss die Behörde unterrichten… Ihr habt doch schon mit ihr zu tun gehabt. War das nicht auch wegen der Schlangen? (…) Merkt Ihr nicht, dass die Schlangen hinter Euch sind? Vielleicht habt Ihr geglaubt, sie hätten Euch vergessen, weil Ihr keine gesehen habt, als Ihr noch im Gefängnis lebtet, aber nun seid Ihr in Freiheit… und da sind sie schon wieder!“ [...]

(aus: Heinz Risse: Schlangen in Genf. Scherpe-Verlag, Krefeld 1951, S. 60f.)