Autor*innen-Porträts

Henyrik Keisch

24. Februar 1913 – 2. Juli 1986

Henryk Keisch
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Autor und Ort

Henryk Keisch wurde am 24. Februar 1913 in Moers geboren. Laut Geburtsurkunde wohnten seine Eltern zu dieser Zeit in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof in der Lotharstraße 6, daher ist anzunehmen, dass an dieser Stelle das Geburtshaus stand. Keisch machte sein Abitur in Duisburg-Ruhrort und ging zum Studium nach Köln. Nach der Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933 emigrierte Keisch, der einer jüdischen Familie entstammte, nach Frankreich, kehrte nach dem Krieg jedoch zurück nach Deutschland, ließ sich allerdings nicht in der rheinischen Heimat, sondern in Berlin nieder.

Leben und Werk

Henryk Keisch wurde 1913 in Moers am Niederrhein geboren. Doch literarisch und politisch gewirkt hat er in der DDR, 1986 starb er in Ost-Berlin. Dort fungierte er von 1974 bis 1985 sogar als Generalsekretär des PEN-Zentrums der DDR.

Keisch entstammte einer jüdischen Familie und war Sozialist. Nach dem Abitur 1932 in Duisburg-Ruhrort und Aufnahme eines Studiums der Literatur- und Theaterwissenschaft an der Universität Köln emigrierte Keisch 1933 nach Paris. Dort arbeitete er als Sprachlehrer und Übersetzer und schrieb für deutschsprachige Zeitungen der antifaschistischen Widerstandsbewegung. Im Krieg kämpfte Keisch in der französischen Armee und der Résistance. 1944 wurde er verhaftet, konnte aber aus dem Deportationszug ins Konzentrationslager Auschwitz fliehen.

1946 kehrte Keisch nach Deutschland zurück und ging nach Berlin. Von dort schrieb er für französische Zeitungen, später wurde er Redakteur bei deutschen Blättern und Theaterkritiker des SED-Parteiorgans Neues Deutschland. 1959 trat er der SED bei und lebte fortan als freier Schriftsteller. 

Schon im französischen Exil hatte Keisch einen Lyrikband mit dem Titel Das Leben kein Traum herausgebracht. Dafür erhielt er sogar den Heinrich-Heine-Preis, den die Exilgruppe des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller vergab. In der DDR machte er sich besonders als Autor von vierzeiligen Epigrammen einen Namen, die als Kalenderreihe, später auch in Buchform erschienen sind. Darüber hinaus war Keisch als Drehbuchautor gefragt.  So schrieb er am Drehbuch der politischen Satire Der Hauptmann von Köln mit, den die DEFA, die Filmproduktion der DDR, 1956 herausbrachte. Darin geht es um einen arbeitslosen Kellner, der mit einem Offizier und Kriegsverbrecher verwechselt wird und gerade deshalb eine steile Karriere in der Wirtschaft Westdeutschlands macht. Während am Ende der wahre Kriegsverbrecher aufgrund einer Amnestie ungestraft davonkommt, muss der Kellner ins Gefängnis. Der Film ist offenkundig ein ideologisch motivierter Seitenhieb auf mangelnde Aufarbeitung der NS-Zeit in der Bundesrepublik. Keisch und seine Mitautoren bekamen für das Drehbuch den Nationalpreis 2. Klasse.

Keisch erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter 1968 die Carl-von-Ossietzky-Medaille und 1978 das Banner der Arbeit.

Von Ernst Müller

Die Vier-Zeilen-Muse (Epigramme)

Erkenntnis

Gefühltem misstraun, Geahntem nachspürn,
Erratenes ins Reich des Gewussten führn,
Erkanntes unermüdlich wieder befragen,
Gültiges in genauen Worten sagen.

Bücher

Bücher gibt es von so einschüchterndem Wesen,
dass sich ein Zweifel meldet: Wird jemand sie lesen?
Bei manchen scheint es auch keineswegs übertrieben,
die Frage zu stellen: Hat überhaupt jemand sie geschrieben?

Der fliegende Teppich
Meinem Freund, dem Dichter, empfahl man, beim Schreiben
seiner Sachen doch tunlichst auf dem Teppich zu bleiben.
Das wollte er auch tun. Jedoch der Teppich entschwand
mit ihm durch die Lüfte ins ferne Dichterland.

Ein Satz über Kunst

In dem Streit, wie sich wohl zueinander verhalten
Wirklichkeit und Kunst, mag ein Satz obwalten:
Noch jede Kunst bislang holte Kraft und Sinn
Aus Wirklichem her und führt zu Wirklichem hin.

(aus: Henryk Keisch: Die Vier-Zeilen-Muse. Epigramme zur Literatur und zu den Künsten. VEB Hinstorff Verlag, DDR 1984, 2. Aufl. 1986.)