Autor*innen-Porträts

Willi Fährmann

18. Dezember 1929 – 25. Mai 2017

Willi Fährmann
© Armin Fischer

Autor und Ort

Der Kinder- und Jugendbuchautor Willi Fährmann wurde 1929 in Duisburg geboren. Das Elternhaus stand in der Weststraße 9 im Stadtteil Beeck, wo der Vater für die König-Brauerei arbeitete. Mit dem Deputatbier, das er zusätzlich zum Lohn erhielt, bezahlte er den Leiter der katholischen Bücherei in Beeck, der stets Bücher zu den Fährmanns brachte, aus denen der Vater dem Sohn vorlas. Fährmann, der begeisterter Tischtennisspieler bei der DJK Ruhrort war, machte 1946 zunächst eine Lehre als Maurer, bevor er sich einen Lebenstraum erfüllte und Lehrer wurde, zunächst an einer Volksschule in Duisburg, später als Schulleiter in Xanten. An den Umzug von der Groß- in die Kleinstadt erinnerte er sich in der Erstauflage des stadthistorischen Buches Du mein Xanten von Tim Michalak: „Meine Frau und ich sind skeptisch nach Xanten gezogen. Wir wollten zwar dort wohnen, wo ich auch meinen Dienst tun konnte. Aber von der Großstadt Duisburg in das damals eher verschlafene Nest am Niederrhein? Das war zu der Zeit, als uns bei der Fahrt mit dem R4 über die Bundesstraße wiederholt zwischen Rheinberg und Xanten nicht ein einziger PKW begegnete. Aber dann erlebten wir eine freundliche Aufnahme ... Wir lebten uns schnell ein, und nach einem Jahr war kein Gedanke mehr daran, Xanten den Rücken zu kehren“. In der Region sind mehrere Schulen nach Fährmann benannt, unter anderen die Realschule in Duisburg-Rheinhausen.

Leben und Werk

Willi Fährmann wurde am 18. Dezember 1929 in Duisburg geboren und starb in seinem 88. Lebensjahr am 25. Mai 2017 in Xanten. Seine Eltern Paul und Franziska Fährmann stammen aus Ostpreußen, einer Region, die Willi Fährmann mehrfach in seinen Romanen thematisiert hat. Die Kindheit und Jugend Willi Fährmanns waren geprägt von der nationalsozialistischen Diktatur. So lernte er einerseits, dass Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten nur im Verborgenen möglich war, war aber andererseits mit fünfzehn Jahren fasziniert von der Schnellausbildung an Panzerfäusten zur Verteidigung gerade dieser Unmenschlichkeiten.

Über eine Begabtensonderprüfung wurde Willi Fährmann nach der 1946 begonnen Maurerlehre zum Pädagogikstudium zugelassen. Seit 1953 war er Lehrer, zunächst in Duisburg, ab 1963 bis zu seiner Pensionierung 1972 als Schulleiter in Xanten. Neben seiner pädagogischen Lehrtätigkeit schrieb Willi Fährmann zahlreiche Kinder- und Jugendbücher, die in über 80 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurden, wie etwa 1981 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis für den Roman Der lange Weg des Lukas B., 1983 mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland und 2011 mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.

In seinen Büchern thematisiert er mehrfach die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, so auch in seinem ersten, 1962 veröffentlichten Buch Das Jahr der Wölfe, dem dritten Teil der Bienmann-Sage, in der die deutsch-polnische Geschichte am Beispiel der Familie Bienmann über 100 Jahre erzählt wird. Die ostpreußische Heimat seiner Eltern und Großeltern verarbeitete er ebenso in Romanen für Kinder und Jugendliche wie seine eigenen Wirkungsstätten am Niederrhein in dem Roman Es geschah im Nachbarhaus, der literarischen Verarbeitung eines antisemitischen Ritualmordvorwurfs in Xanten aus dem Jahr 1891. 2009 veröffentlichte er in seinem 80. Lebensjahr seine Autobiografie Das Glück ist nicht vorbeigegangen.

Von Klaus Peter Hommes

Der lange Weg des Lukas B. (Auszug)

Der Junge hatte Mühe die Pferde zum Stehen zu bringen. Die Wölfe äugten zwar zu ihnen herüber, aber sie verhielten ihren Lauf nicht. Gespannt verfolgten die Schlitteninsassen, wie das Rudel weit vor ihnen die Straße überquerte und in einer Waldschneise verschwand.

Der Junge ließ den Pferden freien Lauf.

„Warum hast du nicht einem eins aufs Fell gebrannt, Großvater?“, fragte er und war erleichtert und enttäuscht zugleich.

„Was macht ein mutiger Hund, wenn du ihn mit Steinen bewirfst?“, fragte der alte Mann zurück. „Wird er sich nicht auf dich stürzen?“

„Warum mögen sie nicht angegriffen haben?“ Der Lehrer entlud seine Pistole.

„Sie finden noch krankes Wild. Sie sind gerade erst aus Russisch-Polen gekommen. Aber wenn der Winter lange dauert, treibt sie der Hunger dazu, auch die Menschen anzugehen.“

„Wie bei den Webern“, sagte der Lehrer.

„Was meinen Sie?“, forschte Mathilde.

„Es gab 1828 in Krefeld, wo mein Vater geboren ist, einen Seidenweberaufstand. Mein Vater ist damals als 18-Jähriger mit auf die Straße gezogen und die ganze Familie auch.“

„Sie meinen, das war eine Art Revolution?“

„Das wohl nicht. Es war der Hunger, genau wie bei den Wölfen. Der hat die Leute wild gemacht. Bei uns hat die ganze Familie, auch die kleineren Geschwister des Vaters, an den Webstühlen gearbeitet. Die Webstühle gehörten dem Faktor, dem Fabrikbesitzer. Der ließ auch die Seidenfäden bringen und teilte den Lohn zu. In den zwanziger Jahren war der Preis für die Seide niedrig. Ein Faktor wollte den anderen unterbieten. Trotz eines langen Arbeitstages von zwölf oder mehr Stunden reichte es nicht einmal, um den Hunger zu stillen. Endlich gingen die Weber auf die Straße.“

„Was geschah mit ihnen? Was erreichten sie?“

„Sie riefen nach dem gerechten König, dem Vater des Volkes, und wollten von ihm, dass er für einen gerechten Lohn eintrete. Die Antwort des Königs waren die Düsseldorfer Husaren. Er ließ sie ausrücken. Mit dem blanken Säbel haben sie die Weber durch die Straßen gejagt. Das war die Gerechtigkeit des Königs.“

(aus: Willi Fährmann: Der lange Weg des Lukas B. Arena Verlag, Würzburg 1980.)