Autor*innen-Porträts

Annemarie in der Au

22. Oktober 1924 – 18. August 1998

Annemarie in der Au
© Preußische Allgemeine Zeitung – Das Ostpreußenblatt

Autor und Ort

Annemarie Westphal, so ihr eigentlicher Name, zog Ende der 1950er Jahre nach Krefeld. Dort lebte sie in einer Wohnung in der Elisabethstraße 64. Neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin und Journalistin war sie dort als Dozentin an der Volkshochschule tätig. Im Herbst 1972 lud sie alle ihr bekannten Schriftstellerinnen der Stadt in das Café des Kaiser-Wilhelm-Museums ein und gründete mit ihnen dort den „Krefelder Autorinnen-Club“, der mit Lesungen auf sich aufmerksam machte. 1985 erhielt Annemarie in der Au für ihre Verdienste das Krefelder Stadtsiegel.

Leben und Werk

Annemarie in der Au wurde am 22. Oktober 1924 als Annemarie Westphal in Tilsit geboren. Sie musste die Stadt, die damals zu Ostpreußen gehörte, auf der Flucht vor der Roten Armee zum Ende des Zweiten Weltkrieges Richtung Westen verlassen. Ihr Geburtsort wurde zu ihrem literarischen Hauptthema.

Nach der Reifeprüfung, die sie noch in ihrer Heimat ablegen konnte, begann sie ebendort ein Studium der Pharmazie. Wegen des Krieges konnte sie dieses jedoch nicht abschließen. Angekommen im heutigen Schleswig-Holstein, wechselte sie das Fach und absolvierte in Lübeck und Hamburg eine Ausbildung zur Schauspielerin. Zeitgleich studierte sie Literatur-, Kunst- und Theatergeschichte. 1953 heiratete sie den Intendanten und Schauspielkollegen Ottomar in der Au. Das Ehepaar hatte eine Tochter, Dietlind in der Au, ebenfalls Schriftstellerin und zudem als Bibliothekarin tätig.

Ende der 50er Jahre zog Annemarie in der Au nach Krefeld, wo sie als als Schriftstellerin und freie Journalistin sowie Dozentin an der Volkshochschule arbeitete. Ihr Werk umfasst Roman, Erzählungen, Gedichte, Essays, Theaterstücken, Hörspiele und Radio-Features. Dazu zählt zum Beispiel die Komödie Weh dem, der aus dem Rahmen fällt (1964), der Roman Das Glaskugelopfer (1968) sowie der Lyrikband Kein Mondsilber mehr als Währung (1971). Von der lebenslangen Beschäftigung mit ihrer Heimat zeugen 2002 und 2003 erschienenen Bücher Ostpreußen: zuhause im weiten Land und Ostpreußen: unerreichbar wie der Mond, die sie zusammen mit Grete Fischer bzw. Grete Fischer und Eva Reimann verfasste. Ihrer neuen Heimat Krefeld widmete sie 1972 das Bändchen Bei uns in Krefeld, das sie mit Johannes Dropmann und Wolf-Dieter Henkel veröffentlichte.

Für ihre Arbeit wurde Annemarie in der Au vielfach ausgezeichnet, darunter 1970 mit dem Hörspielpreis des Ostdeutschen Kulturrates, 1974 mit der Ehrengabe zum Andreas-Gryphius-Preis und 1985 mit dem Krefelder Stadtsiegel. 1990 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz am Bande, überreicht wurde es ihr von Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Als Frau gehörte sie damals noch immer zu der Minorität der Geehrten.

Annemarie in der Au war Mitglied des Autor*innenzusammenschlusses „Die Kogge“, der Künstlergilde Esslingen und des Marburger Kreises. Zudem gründete sie den „Krefelder Autorinnen-Club“.

Sie starb am 18. August 1988 in Krefeld.

Von Nina Höhne

Der Sommer, der ein Frühling war

Sie ließen sich beide japsend und tropfenschüttelnd in den Sand fallen.

Sie können es aber!

Gabriele hatte die Bewunderung nicht beabsichtigt, die darin mitschwang: Sie haben bestimmt schon öfter Flüsse durchschwommen. Das hätten Sie mir ruhig sagen können.

Füngers schüttelte den Kopf: Es war das erste Mal.

Mehr sagte er nicht. – Vor seinen Augen glitt statt der Memel nun der Rhein dahin, und seine Erinnerung suchte den Uferabschnitt nach steinernen Kostbarkeiten ab.

Wenn sie aus der Innenstadt zum Rhein hinausgefahren und dann noch ein Stück zu Fuß gepilgert waren, dann hatten sie immer an einer ganz bestimmten Stelle gesessen, wo nur wenige Menschen auftauchten, und niemand den anderen störte. Es war ein schmales, teils sandiges, teils steiniges Uferstück gewesen, das man vom Weg aus über einen kleinen, sanften Grashang erreichte. So und ganz anders als dieses Ufer hier, baumlos weit und breit und ohne Gebüsch und Versteckspiel. Nur im Geheimnisvollen glichen sich die Ufer. Oh, diese steinernen Kunstwerke.

(aus: Annemarie in der Au: Der Sommer, der ein Frühling war. Otto Brües Freundeskreis. Gesellschaft für Literatur, Krefeld 1996, S. 45f.)