In Deutschland kommen jedes Jahr mehr als zehntausend Neuerscheinungen auf den Markt. Wer kann da noch den Überblick behalten? Wir! Einmal im Monat empfehlen Literaturkenner:innen und Vielleser:innen aus unserem Netzwerk ein Buch, das sich lohnt. Warum? Das beantwortet der Fragebogen.
Im September liest Dr. Walter Vennen von der Buchhandlung Schmetz am Dom in Aachen Skalpjagd von Frauke Buchholz.
Es ist ziemlich doof, wenn du als renommierter Polizeipsychologe nach einer Peyote-Zeremonie in einem Tipi aufwachst, ein blutiges Messer in der Hand hast und die Frau neben dir tot und skalpiert ist. Ted Garner heißt der Psychologe, er ist die Hauptfigur im Roman Skalpjagd der Aachener Autorin Frauke Buchholz. Garner überlegt schon einige Zeit, aus dem Polizeidienst auszuscheiden und eine eigene Praxis aufzumachen. Er besucht einen Fachkongress, bei dem er am Abend an der Hotelbar eine attraktive österreichische Kollegin kennenlernt. Diese will ihren Kongressbesuch in Kanada dazu nutzen, indigene psychologische Behandlungsmethoden kennenzulernen und lädt Ted Garner ein, sie zu einer Peyote-Zeremonie zu begleiten. Das Ergebnis: siehe oben.
Ted Garner weiß, dass er als dringend tatverdächtig von der Polizei gesucht werden wird und er kein einziges Argument hat, seine Unschuld glaubhaft darzustellen. Er hat nur die Chance, allein auf sich gestellt den wahren Mörder zu finden. Damit beginnt eine furios-spannende Jagd quer durch Kanada, die bis in die Wildnis von Britisch-Columbia führen wird.
Frauke Buchholz beschreibt unterhalb der Action-Ebene sehr kenntnisreich das komplizierte Verhältnis der drei großen Gruppen in Kanada: die indigenen Einwohner, die Franko-Kanadier und der englischsprachig geprägte Teil der Bevölkerung. Sie lässt Akteure aus allen drei Gruppen aufeinandertreffen, was immer spannend ist und zum Teil sogar humorvolle Momente mit sich bringt.
Mich hat überrascht, wie souverän die Autorin mit ihren erzählerischen Mitteln umzugehen weiß und den Spannungsbogen hält. Sie schafft locker die von uns so gewünschte Lesesituation, dass man nicht mehr aufhören kann mit Lesen und gar nicht mehr mitkriegt, dass man eigentlich zuhause auf der Couch sitzt.
Da Ted Garner nicht nur Polizeipsychologe, sondern auch begeisterter Leser von Arthur Schopenhauer ist, nehme ich das Zitat von Schopenhauer, das Frauke Buchholz ihrem Roman voranstellt: „Das Leben ist nur ein Traum und der Tod das Große Erwachen“.
Da bin ich fantasielos, ich finde, der Titel passt 100% zum Buch.
... ganz sicher die Krimis der spanischen Autorin Berna Gonzalez-Harbour, die mit vergleichbarer literarischer Qualität das weibliche Gegenstück zu Ted Garner, Comisaria María Ruiz, in vertrackten Fällen in Madrid ermitteln lässt. Übrigens sind auch deren Bücher im Pendragon-Verlag erschienen. Die scheinen da ein Supergespür für exzellente literarische Krimis zu haben.
es einfach verdammt gut geschrieben ist, man viel über Kanada mitnehmen kann, weil es tief in die Abgründe der menschlichen Psyche blicken lässt und uns zeigt, dass das Vertrauen auf moralische Werte uns enorme Kraft geben kann.
Das Buch:
Frauke Buchholz: Skalpjagd
Pendragon Verlag
Bielefeld 2024
264 Seiten