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Buchempfehlung

Do we dare?

Anja Urbschat-Happ mit Buch
Promo

Anja Urbschat-Happ liest bei Sophia Fritz von toxischer Weiblichkeit und denkt über echte Gleichberechtigung nach.

– von Anja Urbschat-Happ

Bildrechte: Promo

In Deutschland kommen jedes Jahr mehr als zehntausend Neuerscheinungen auf den Markt. Wer kann da noch den Überblick behalten? Wir! Einmal im Monat schicken wir Literaturkenner*innen und Vielleser*innen aus unserem Netzwerk ein Überraschungsbuch zu, das sie noch nicht kennen – aber unbedingt kennen sollten. Ihre Leseeindrücke verarbeiten sie anhand des folgenden Fragebogens.

Im Juli liest Anja Urbschat-Happ, Geschäftsführerin des localbook.shop in Düsseldorf, Toxische Weiblichkeit von Sophie Fritz.

Was hast du gedacht, als du das Buch ausgepackt hast?

Puh, nun habe ich mich so lange erfolgreich um dieses Buch herum gedrückt…

Worum geht’s?

Es geht um toxische Verhaltensmuster, die Frauen über Jahrzehnte und Jahrhunderte bewusst oder unbewusst entwickelt haben. Diese Muster sind das Ergebnis einer patriarchalen Erziehung, die Frauen dazu anhält, nett zu sein, sich anzupassen und von allen gemocht zu werden. Diese Konditionierung zum „Guten Mädchen“ führt laut Sophia Fritz dazu, dass Frauen eher versuchen, auf indirektem Weg Macht und Kontrolle auszuüben, was sie als „Toxische Weiblichkeit“ bezeichnet.

Fritz plädiert in ihrem Buch für mehr Eigenverantwortung von Frauen und dass sie sich nicht aus Nettigkeit oder mangelnder Konfliktfähigkeit in die weibliche Opferrolle zurückziehen sollten. Anhand von fünf Rollenbildern, die Frauen häufig im negativen Sinne zugeschrieben werden – Das Gute Mädchen, Die Powerfrau, Die Mutti, Das Opfer und Die Bitch – durchleuchtet sie an zahlreichen Beispielen, wie Frauen durch ihr Verhalten diese Zuschreibungen oft selbst bedienen.

Worum geht’s wirklich?

Auf keinen Fall soll der Begriff der toxischen Weiblichkeit als Diagnose oder Vorwurf instrumentalisiert werden. Vielmehr kann er als Impuls dienen, sich möglicher toxischer Verhaltensweisen bewusst zu werden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Letztendlich handelt es sich ja nicht nur um ein feministisches Thema, sondern um ein Anliegen, das Solidarität und Vertrauen als Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens betrifft und zeigt, wie wir das alle positiv beeinflussen können.

Was hat dich beim Lesen überrascht?

Die Ehrlichkeit, mit der Sophia Fritz ihre eigenen toxischen Verhaltensmuster in Beziehungen und Freundschaften beschreibt und analysiert. Und dass es nicht darum geht, wie der Titel zunächst vermuten lässt, nun Frauen als schlecht und gefährlich hinzustellen. Ich habe dadurch sehr viel gelernt, was mir vorher gar nicht so bewusst war.

Welches Zitat würdest du dir an den Kühlschrank pinnen?

„Echte Solidarität und Nähe sind möglich, wenn wir die im Patriarchat gewachsenen toxischenweiblichen Verhaltensweisen als solche anerkennen und sie gemeinsam tragen. Denn nur wenn wir einander mit Verständnis und weichem Blick begegnen, finden wir den Mut, etwas zu starten, dessen Ausgang wir noch nicht kennen. Toxische Weiblichkeit ist kein feststehender Begriff, er lässt sich stetig ergänzen, überschreiben und neu denken“. (S.177)

Welchen Titel hättest du dem Buch gegeben?

Do we dare?

Wer dieses Buch mag, mag auch …

Das Ende der Ehe von Emilia Roig. Während Sophia Fritz drauf schaut, welche Verhaltensmuster Frauen selbst verändern können, schaut Emilia Roig auf die Institution der Ehe und bietet damit eine weitere wichtige Perspektive. Und auch hier geht es darum: wie wollen wir als Menschen gleichberechtigt und ohne toxische Machtstrukturen zusammenleben?

Alle Menschen sollten dieses Buch lesen, weil …

… es mit großer Leichtigkeit und sehr unterhaltsam frische Perspektiven in die feministische Debatte bringt – und ein bisschen frischer Wind kann ja wirklich nicht schaden.


Das Buch:
Sophia Fritz – Toxische Weiblichkeit
Hanser Berlin
Berlin 2024
192 Seiten