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Buchempfehlung

Good job!

Andrea Lunau
privat

Andrea Lunau liest einen musikalischen Krimi von Oliver Buslau - und entdeckt darin das ideale Buch nach der Europawahl.

– von Andrea Buslau

Bildrechte: privat

In Deutschland kommen jedes Jahr mehr als zehntausend Neuerscheinungen auf den Markt. Wer kann da noch den Überblick behalten? Wir! Einmal im Monat schicken wir Literaturkenner*innen und Vielleser*innen aus unserem Netzwerk ein Überraschungsbuch zu, das sie noch nicht kennen – aber unbedingt kennen sollten. Ihre Leseeindrücke verarbeiten sie anhand des folgendenen Fragebogens.

Im Mai liest Andrea Lunau, Buchhändlerin aus Burscheid, Feuer im Elysium von Oliver Buslau.

Was hast du gedacht, als du das Buch ausgepackt hast?

Ach, schau an! Ein alter Bekannter… Feuer im Elysium ist ja schon 2020 erschienen und Oliver Buslau war im Jahr darauf mit seiner Lesereise auch bei uns in der Buchhandlung zu Gast. Allerdings nicht mit dem heute besprochenen historischen Musikkrimi, sondern mit dem neusten Band seiner bergischen Krimireihe. Kurz und gut: Obwohl schon mehrere Jahre im Handel, habe ich dieses Buch noch nicht gelesen und freue mich darauf, eine neue Seite von Oliver Buslau zu entdecken.

Worum geht’s?

Feuer im Elysium spielt 1824 in Wien: Ludwig van Beethoven steht kurz vor der Uraufführung seiner berühmten neunten Sinfonie. Die Proben laufen, während in Wien versucht wird, mit aller Kraft die revolutionären Ideen der Studentenbünde zu unterdrücken. Das Establishment stellt sich mit aller Kraft gegen jegliche Veränderungen, die im Zuge der französischen Revolution ihren Weg durch Europa finden. Auch Beethoven und seine Musik stehen in der Kritik und unter Beobachtung durch Metternichs Spitzel- und Polizeiapparat. Ist dieses musikalische Werk doch zu seiner Zeit hoch revolutionär, da es die Maßstäbe der Harmonie neu definierte. Zudem bedient sich die Sinfonie des Textes von Friedrich Schiller, „Alle Menschen werden Brüder“, der zu diesem Zeitpunkt in Österreich verboten ist.

Vor diesem Hintergrund begibt sich ein junger Mann namens Reiser nach Wien, der seinen Lebensweg eigentlich schon als Schlossverwalter vorgezeichnet sah. Nachdem aber sein Dienstherr und sein Vater beide bei einem ominösen Umfall ihr Leben lassen, wird ihm die Anstellung gekündigt und er sucht sein Glück in Wien. Dort trifft er auf einen ehemaligen Kommilitonen, Gregorius Hänsel, der inzwischen einen verantwortungsvollen Posten in der Staatskanzlei Metternichs innehat. Jedoch verhilft Hänsel ihm nicht wie erhofft in eine ordentliche Anstellung, sodass Reiser gezwungen ist, sich als „Konfident“ getarnt als Musiker im Orchester bei Ludwig van Beethoven zu verdingen. Reiser gerät in ein Gespinst an Verschwörungen und muss am Ende nicht nur ein Komplott aufdecken, dem Geheimnis hinter dem tödlichen Unfall seines Vaters und ehemaligen Dienstherren näherkommen, sondern auch ein Attentat verhindern, dass viele Menschen das Leben kosten könnte.

Zeitgleich erleben wir die Geschichte aus einer zweiten Perspektive: Ein mehr oder minder mittelloser Student, Theodor Kreutz, wird unter falschem Namen von einer revolutionären Burschenschaft nach Wien eingeschleust. Die Verbindung „Die Unsichtbaren“ will ihre Gleichheitsgedanken auf eigene Weise umsetzen. Ob sie am Ende hinter dem großen geplanten Anschlag stecken oder eine andere Kraft, dass müsst ihr euch als Leser:innen natürlich selbst erlesen.

Zur Erinnerung: Die Metternich-Ära ist geprägt von Repressalien gegen jede liberale Strömung, bestimmt von Zensur und Unterdrückung. Napoleon war erst einige Jahre tot und die Freiheitsgedanken, die aus Frankreich über Europa schwappen, führen zu geheimen „Verbrüderungen“.  Wie stark der Wunsch nach Machterhalt beim Establishment rund um Fürst Metternich, den Kaiser und den herrschenden Adel zu jener Zeit war, zeigt dieser Roman in einer vielschichtigen Art und Weise.

Worum geht’s wirklich?

Diese Geschichte erzählt von der Unterdrückung freiheitlicher Gedanken, von Gleichheit, Brüderlichkeit und der Kraft der Musik. Heute, kurz nach der Europawahl 2024 und ihren erschreckenden Ergebnissen sind dies Motive, die aktueller nicht sein könnten.

Vor 200 Jahren, am 7. Mai 1824 feierte die „Neunte“ in Wien Uraufführung. Die „Ode an die Freude“ ist 1972 zur Europahymmne geworden und wohl eins der bekanntesten klassischen Stücke der Musikgeschichte. Dieses Jubiläum sollten wir nutzen, noch einmal über diesen „Klassiker“ zu sprechen. Ein schöner Anlass dazu bietet eben auch der Krimi von Oliver Buslau.

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elysium.

Wir betreten feuertrunken,

Himmlische, dein Heiligthum!

Deine Zauber binden wieder

Was die Mode streng geteilt;

Alle Menschen werden Brüder,

Wo dein sanfter Flügel weilt.

 Ich möchte – aus Gründen - noch aus dem Nachwort zitieren: „Die „Neunte“ entstand ja in einer Epoche, in der die Visionen einer Verbrüderung der Menschen über politische Grenzen hinweg besonders aktuell war […]“

Was hat dich beim Lesen überrascht?

Bisher kannte ich nur die Krimis von Oliver Buslau, in denen Privatermittler Remigius Rott im Bergischen Land -durchaus humorvoll- Kriminalfälle löst. Ich habe also trotz des verheißungsvollen Titels „Feuer im Elysium“ nicht mit so viel (musik)geschichtlichem Hintergrund gerechnet. Man merkt dem Buch an, dass der Autor ganz genau weiß, wovon er erzählt. Oliver Buslau hat nämlich Musikwissenschaften studiert und auch lange als Musikjournalist gearbeitet, bevor er seine bergischen Regionalkrimis geschrieben hat. Lange Zeit habe ich dem Autor eben nur diese Krimireihe zugeordnet, dabei finden sich einige musikalische Werke in seiner Agenda.

In seinem Buch über Beethovens „Neunte“ bindet er aber nicht nur sein musikhistorisches Wissen ein, sondern strickt eine spannende Verschwörung in diese Zeit voller politischer Umbrüche. Er bedient sich vieler historischer Gegebenheiten und versetzt diese mit einem kleinen fiktiven Moment, der aber sehr glaubhaft in den historischen Rahmen passt. Ein Buch für Musikfans gleichermaßen, wie Liebhaber guter historisch-politischer Krimis.

Welches Zitat würdest du dir an den Kühlschrank pinnen?

„Hatte die Sinfonie etwas bewirkt? Hatte sie Freiheit gebracht? Verbrüderung? […] Nicht wenn man sah, was in dieser Zeit geschah. […] Nein, wenn man es so betrachtete, hatte die Sinfonie nichts bewirkt. Bis auf das eine vielleicht – dafür zu sorgen, dass die Hoffnung niemals starb. Und im Moment ihres Erklingens den Traum zu teilen, dass alle Hoffnungen eines Tages erfüllt seien.“

Welchen Titel hättest du dem Buch gegeben?

Ich finde den Titel – vor allem nach dem Lesen der Geschichte- sehr passend und würde mir keinen anderen für diesen Roman wünschen. Good Job!

Wer dieses Buch mag, mag auch …

Philipp Blom - Eine italienische Reise. Auf den Spuren des Auswanderers, der vor 300 Jahren meine Geige baute

Alle Menschen sollten dieses Buch lesen, weil …

… zum einen das Beethoven-Jahr Corona zum Opfer gefallen ist und dieses Buch 2020 leider nicht genug Aufmerksamkeit bekommen hat. Jetzt bietet das 200jährige Jubiläum der Uraufführung nochmal die Gelegenheit, dieses Buch zu lesen und zu präsentieren.

Zum anderen, weil die beschriebene Kraft der Musik so viel Gutes bewegen kann. Zumindest kann sie Hoffnung geben, darauf, dass am Ende eben doch alles gut wird!


Das Buch:
Oliver Buslau: Feuer im Elysium
Emons Verlag
Köln 2020
496 Seiten