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1:1-Mentoring der Literaturbüros Bonn und Düsseldorf geht in die nächste Runde

Lütfiye Güzel und Husch Josten
© Ben Knabe / Charlotte Josten

Die Mentorinnen sind dieses Mal Lütfiye Güzel und Husch Josten. Bewerbungen sind ab sofort möglich.

Bildrechte: © Ben Knabe / Charlotte Josten

Gerade zu Beginn ihrer Laufbahn benötigen Schriftsteller*innen Unterstützung. Sie brauchen Ermutigung und Fürsprache ebenso sehr wie den souverän-kritischen Blick auf ihre Arbeit und Rat in künstlerischen und praktischen Fragen. Dafür schaffen die Literaturbüros in Bonn und Düsseldorf einen Rahmen mit ihrem Mentoringprogramm „1:1“, das nun bereits zum fünften Mal stattfindet.

Ab sofort können sich Nachwuchsautor*innen mit einem Schreibvorhaben bewerben. Mit Lütfiye Güzel (Lyrik) und Husch Josten (Roman/Erzählungen) stehen erneut zwei erfahrene Mentorinnen bereit. Sie werden jeweils eine*n Nachwuchsautor*in ein Jahr lang – von November 2022 bis Oktober 2023 – begleiten und bei ihrem/seinem Projekt unterstützen. Bewerbungsfrist ist der 31. Mai 2022. Weitere Informationen zur Ausschreibung sind auf den Websites der beiden Literaturbüros zu finden oder direkt hier.

Beim letztjährigen Mentorat sollten die Duos nach Ende des Projektzeitraums einen kurzen Abschlussbericht verfassen. Ulrike Anna Bleier und Nora Schramm haben dies auf ihre ganze eigene, literarische Weise getan. Diese beiden Texte, die Einblick geben in die Zusammenarbeit von Mentorin und Mentee, möchten wir Interessierten nicht vorenthalten.

Beim Schälen der Mandarine

von Nora Schramm

Wenn ich an das Mentoringjahr denke, denke ich an den Grüngürtel bei gutem Wetter, Kinder auf dem Wasserspielplatz und Oberkörper auf dem Basketballfeld und ich denke, etwas später dann, wenn die Gedanken ein bisschen genauer werden, ans Schälen. Mandarinen schälen. Vielleicht hatten wir gar nicht immer Mandarinen dabei, wahrscheinlich nicht, weil irgendwann muss ja auch Sommer gewesen sein, in dem man Pfirsiche isst, mit Schale, aber irgendwie denke ich trotzdem weiterhin stur an die Mandarinen und die Pockennarben auf ihrer Schale und wie das Fruchtfleisch innen schon in Stückchen portioniert ist. Wir haben auf den Parkbänken auch die Texte geschält, die zum Glück ein paar mehr Schichten hatten, die Zwiebeltexte. Ich finde, wir haben es gut gemacht. Wir haben den Texten nicht ins Fleisch geschnitten, aber gründlich waren wir schon. Ulrike hat Fragen gestellt, oder einfach erzählt, was sie gelesen hat, als würde sie irgendjemandem von irgendeinem Buch erzählen. Ich habe manchmal die Position der Texte eingenommen und sie verteidigt, manchmal war sofort klar (als hätte ich es eh schon gewusst), was dem Text fehlt, wo es hakt, und manchmal bin ich eher mit einer Ahnung nach Hause gegangen, als mit einer konkreten Idee. Es war immer so, dass ich danach geschrieben habe und sich die Dinge irgendwie zusammengefügt haben, manchmal ganz anders als besprochen. Und irgendwie konnten sich die Schalen immer wieder um die Texte schließen, nachwachsen, ich würde sagen, unsere Analyse hat die Texte nicht brachliegen lassen, und das ist gut, damit sie nicht austrocknen.

Ich glaube, es lag auch an den Fragen. Ich liebe Fragen. Ich habe das in diesem Jahr ständig gesagt, obwohl ich sie auch vorher schon geliebt habe. Jemandem Fragen zu stellen, heißt, sich zu interessieren, und es heißt, das Gegenüber ernst zu nehmen, dem Gegenüber zu vertrauen, dass es für sich antworten kann. Es heißt, die eigene Erwartung an die Antwort zur Seite zu schieben, um offen zu sein, für die andere Antwort, die man ja unbedingt haben wollte. Das ist mir noch mal deutlich geworden. Wie sehr ich das Fragen liebe und wie nützlich es ist oder wie aufregend. Ich glaube, in der Textarbeit ist es unverzichtbar, vielleicht ist das Schreiben an sich schon eine reine Fragerei. Für Ulrike und mich waren die Fragen wichtige Werkzeuge, und dass wir uns darin einig waren wahrscheinlich der Grund, weshalb wir so gut miteinander arbeiten konnten.

Ulrike hat mir selten Dinge geraten, nur wenn ich ganz konkrete Fragen hatte, zu dieser oder jener Bewerbung und ob hier jetzt eine Unterschrift drauf soll und was an den Anfang eines Anschreibens gehört. Aber wie Ratschläge hat es sich nie angefühlt, an Ratschlägen hängt häufig der Wunsch, dass es dann auch so und so gemacht wird – es war eher ein Teilen von Wissen und Erfahrung. Je wichtiger die Fragen waren, umso weniger konkret hat Ulrike geantwortet, weil es umso wichtiger war, dass ich meine eigene Antwort gebe. Die Fragen, die ich ihr gestellt habe, waren ja die Fragen, die ich eigentlich mir selber stelle. So etwas wie: Welchen Text lese ich bei der Abschlussveranstaltung? Darauf hat sie geantwortet: An welchen hast du denn gedacht? Und ganz ehrlich, wenn ich ihre Mentorin wäre, ich würde auch keine Ratschläge geben. Ich glaube, das ist nicht so unser Ding. Ich glaube, wenn sie mich fragen würde, würde ich sagen, an welchen Ratschlag hast du denn gedacht.

Bank in Köln
Auf dieser Bank im Kölner Grüngürtel haben Mentorin und Mentee viele Stunden zusammen verbracht.

Vier Tassen für ein Mentorat

von Ulrike Anna Bleier

Heute treffe ich, denke ich, Nora, zum ersten Mal, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass das, was ich denke, mit dem übereinstimmen wird, was sein wird. Wenn du das erste Mal jemanden triffst, die 27 ist, und du bist ungefähr doppelt so alt, wie könnte es dann nicht sein, dass du auf dein jüngeres Ich triffst?



Bitte lass sie nicht so sein wie mein jüngeres Ich, denke ich.



Was ist ein Mentorat, habe ich mich gefragt, als ich gefragt wurde, ob ich Mentorin werden könnte. Ich hätte gerne Nein gesagt, aber ich brauchte eine Aufgabe, die über mich hinausweist. Ich werde Mentorin, aber ich weiß gar nicht genau, was das ist, ein Mentorat, erzähle ich einem Freund, der mit dem akademischen Nachwuchs arbeitet, natürlich weiß er, was ein Mentorat ist. Du musst, sagt er, deiner Mentee sagen, wie sie ihre Karriere planen soll. Du machst einen Plan, und sie muss sich an diesen Plan halten und nach und nach alles umsetzen. Du weißt, was für sie richtig ist, sagt mein Freund, denn du bist die ältere. Du hast Erfahrung.

Um Gottes willen, denke ich.

Wenn du das erste Mal jemanden triffst, die 27 ist, und du bist fast doppelt so alt, wie könnte es dann nicht so sein, dass du auf dein jüngeres Ich triffst?

Es war dann zum Glück nicht so. Beide haben wir nicht unser Alter Ego getroffen. Es ist kalt an jenem Nachmittag im Dezember, wir kommen beide mit dem Fahrrad. Wir haben beide Tee mit und sehr dicke Anziehsachen an, eine von uns hat Clementinen eingepackt und die andere Kekse und außerdem haben wir beide zwei Tassen mit für den Fall, dass die andere ihre Tasse nicht mithat. Wir gehen spazieren, wir sitzen auf einer Bank, wir trinken Tee aus vier Tassen und essen Clementinen und Kekse. Wir sprechen über Noras Texte, über das, was ich verstanden habe, und das, was ich nicht verstanden habe, und über das, was sie verstanden hat und was sie nicht verstanden hat. Kommunikation muss, um zu gelingen, paradox sein. Man muss einen Plan haben, denn man hat ja ein Gegenüber. Nur darf sich der Plan nicht erfüllen, sonst bräuchte man kein Gegenüber. So waren die Gespräche mit Nora über die Texte von Nora.

Du fragst mich, was neu und überraschend war, was unerwartet war. Alles! Ich habe ja keine Erfahrung mit Mentoraten. Und auch jetzt, knapp eineinhalb Jahre später, habe ich nur Erfahrung damit, deine Mentorin zu sein. Und deine Mentorin sein ist kein Beruf und es ist auch keine Berufung, das ist ganz wichtig, sonst würde man es übertreiben. Es ist ein Zustand des Dazwischen, wie der Park, in dem wir uns immer getroffen haben. Zwischen Innerer Kanalstraße und Belgischem Viertel. Zwischen Schreiben und Sprechen. Zwischen Sitzen und Gehen. Zwischen Fragen und Antworten und Fragen und Nicht-Antworten und Nicht-Fragen und Doch-Antworten und so weiter. Das ist vielleicht meine wichtigste, unerwartete Erkenntnis: dass man es nicht übertreiben darf mit dem Mentorat. Dass das Beste, was passieren kann, nicht nur die guten Texte sind: sondern auch das Glück, ein Gespräch zu führen, in dem die Formalien nicht stören. Lieber zwei Tassen dabei zu haben als eine. Zu sehen, dass auch du zwei Tassen dabeihast. Als ich das verstanden habe, war meine größte Sorge: dass ich es untertreiben könnte, mit dem Mentorat. Denn man darf auch die Zurückhaltung nicht übertreiben. Herrje.

Sollte ich auf einer Skala von 1 bis 10 beantworten, wie wohl ich mich in der Rolle als Mentorin gefühlt habe: ungefähr 8. Die Konzentration auf einen Text, der nicht meiner ist, den ich aber so ernstnehmen muss, als wäre er meiner, und gleichzeitig nicht mit meinem verwechseln darf, ist mir nicht so schwer gefallen wie befürchtet. Vielleicht war ich gerade wegen dieser Befürchtung besonders wachsam. Warum ich nicht 10 sage, hat damit zu tun, dass es tatsächlich eine Rolle ist, die es auszufüllen gilt. Und aus der es nach getaner Arbeit wieder zu verschwinden gilt. Und weil 10 bedeuten würde, ein Mentorat als Berufung anzusehen, an die man sich klammert. Das würde mir nicht entsprechen. Denn ich bin ja in erster Linie Schriftstellerin. Und Kollegin. Hoch die Tassen!