In Deutschland kommen jedes Jahr mehr als zehntausend Neuerscheinungen auf den Markt. Wer kann da noch den Überblick behalten? Wir! Einmal im Monat empfehlen Literaturkenner*innen und Vielleser*innen aus unserem Netzwerk ein Buch, das sich lohnt. Warum? Das beantwortet der Fragebogen.
Christiane Bays, Lektorin bei der Stadtbibliothek Duisburg und dort unter anderem für Belletristik zuständig, empfiehlt im März Der Erinnerungsfälscher von Abbas Khider.
Der angehende Schriftsteller Said Al-Wahid sitzt nach einer erfolgreichen Lesung in Mainz gemütlich im ICE, als sein Handy klingelt und sein Bruder ihm mitteilt, dass seine Mutter in Bagdad im Sterben liegt. Eigentlich hat er mit dem Irak abgeschlossen, lebt mit Frau und Kind glücklich in Berlin. Doch da sind noch einige Fragen, die er seiner Mutter gerne stellen möchte.
Auf der Reise in seine alte Heimat wird Said konfrontiert mit seiner lange verdrängten Vergangenheit. Er erinnert sich an seine Flucht über Jordanien, Libyen und Griechenland, sein Asylverfahren in München, wo er die deutsche Sprache mit ihren Millionen Ausnahmeregelungen lernt, bis er schließlich in Berlin eine neue Heimat findet.
Dies ist ein Buch über das Erinnern. Autobiografische Erinnerungen des Autors an das Aufwachsen im Irak und die Flucht aus der Heimat. Doch was ist real an den Erinnerungen, was erfunden oder gefälscht? Und ist das überhaupt wichtig?
„Es gibt Orte im Gedächtnis, die sind wie Minenfelder, sie können einen in Stücke reißen. Ein Leben kann schön und erträglich sein – wenn man diese Orte meidet."
Unbedingt sollte man dieses Buch an einem ruhigen Ort lesen. Es ist ein schmaler, aber umso gehaltvollerer Roman, der zum Sinnieren und Nachdenken einlädt.
… gerne Texte lesen, die sich mit wichtigen, aber nicht immer einfachen Themen auseinandersetzen. Abbas Khider ist ein intensiver, berührender Roman gelungen, der einem neue Welten öffnet und trotz des ernsten Inhalts zutiefst lebensbejahend und tröstlich ist.
Das Buch:
Abbas Khider: Der Erinnerungsfälscher
erschienen beim Hanser Verlag
Frankfurt 2021
125 Seiten