Textstellen

Tritons Klage

Aygen-Sibel Çelik über den Tritonenbrunnen an der Düsseldorfer Königsallee.

Oh Menschengeschlecht, was treibet dich?
Wer soll dich das fragen, wenn nicht ich?
Verdammt bin ich zum steinernen Götzen,
Verweile hier, die Flossenglieder fern des Wassers,
Trotze Wind und Sonnenlicht.
Seit Jahrhunderten, doch kümmert‘s dich?
Verbannt, zum Zeugen eures Trubels,
Bin nur eine Gestalt.
Und gleiche ich auch eurem Ebenbild,
Was bin ich schon?
Nennt ihr mich auch Gott der Meere,
So bin ich stets doch nur Kulisse
In einem Kanal
Für eure Reisenden.
Schmücke eure Stadt,
Ein Wasserspender, Brunnenglied,
In kriegerischer Szene, getarnt als Held,
Quäle ich ewig ein Meerestier.
Und ihr wandert hin und her,
Fangt ein die Schatten und das Wellenlicht
Und euch und mich
In dunkle Kammern, die ihr in euren Händen traget.
Ich sehe euch, Jahrhunderte vorausgeeilt,
Nur die Brücke stoppt für einen Augenblick
Das geschäft‘ge Treiben rechts und links.
Allee der Könige,
Verbindet eure Welt und die meinige.
Doch wer von euch kennt meinen Namen?
Wer von euch fragt, wer ich bin,
Und ob man mich nicht erlösen möge,
Für einen Tag, für ein paar der Stunden?
Rechts von mir die alte Stadt, der große Fluss.
Wie könnt ihr glauben, ich ahnte nichts davon?
Wasser, Rhein,
Mein Element.

Vita

Düsseldorf ist die dritte Station in der Laufbahn von Aygen-Sibel Çelik, die in Istanbul und Frankfurt aufgewachsen ist und studiert hat. Nach ihrem Studium war sie viele Jahre Redakteurin einer Fachzeitschrift, bevor sie 2003 zu schreiben begann und als Kinder- und Jugendbuchautorin bekannt wurde. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin begibt sich oft und gerne auf Lesereise und bietet Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche an.