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Schellenbeck-Süd

Hung-min Krämer über eine Wuppertaler Kleingartenanlage, inklusive des schönsten Schrebergartens in NRW.

Zugang Ost. Route 4.

Rechts ein Walnussbaum auf der Gemeinschaftsfläche.

Ich nehme den oberen Weg.

Garten 11. Ein Haus. Ein Baum.

Garten 12. Ein Haus. Ein bis auf 50 cm gekürzter Baumstumpf mit Blumenschale darauf ohne Blumen.

Garten 13. Rasen. Ein Haus. Betonpflanzkübel als Hangbegrenzung.

Links. Die Rückseite von Garten 1. Ein überfrorenes Erdbeerbeet. Eine Kleinkindrutsche aus extrudiertem Kunststoff.

Rechts. Garten 14. Ein Haus. Betonpflanzkübel. Eine Pergola. Akkurat geschnittene Ziersträucher. Rasen.

Garten 15. Spitzengardinen.

Links. Die Rückseite von Garten 2. Alte Kletterrosen vor verwitterten Sichtschutzelementen aus geflochtenem Furnier. Selbstgebaute Komposter.

Rechts. Garten 16. In Terrassen angelegte Beete. Ordentlich eingefasst mit hochkant gestellten Gehwegplatten. Niedrig gehaltene Obstbäume. Die Beete und Bäume im Winter kahl.

Links. Garten 3. Im Frühjahr Rhabarber en masse. So viel, dass nur die Hälfte geerntet wird und der Rest großblättrigen Schatten für allerlei Getier bietet.

Garten 4. Der letzte Grünkohl ist schon seit einiger Zeit geerntet. Man konnte die Zahl schwinden sehen. Vielleicht waren es zwanzig Stück, oder sechzehn, ordentlich im Quadrat gesetzt, großzügig mit Schneckenkorn geschützt. Vor dem Haus eine rote Bank.

Garten 5. Regelwidrig eine zwei Meter hohe Buchenhecke als Sichtschutz zu Garten 4. Ein hölzerner Sichtschutz zum Weg. Davor ein Streifen mit Rindenmulch und zu Zierobjekten umfunktionierten Gebrauchskeramiken. Am Hausgiebel ein stilisiertes Hirschgeweih aus Metall. An der Hauswand eine Mallorcasonne.

Rechts. Garten 17. Vor Jahren prämiert als schönster Schrebergarten in NRW. Zu Recht. Schon der Gemeinschaftstreifen vor dem Garten ist mit abwechselnd zu den Jahreszeiten blühenden und sonst immergrünen Steingartengewächsen und mit Akelei und Rosen bepflanzt. Dann am Eingang und weiter hinein mehrere Rosen- und Clematisbögen, und auch der schmale, plattierte Weg hinauf zum Gartenhaus ist links und rechts gesäumt von Steingartengewächsen, die im Sommer gleißend weiß, dann wieder strahlend gelb oder entzückend lila blühen; im Frühjahr von eleganten Tulpen und prachtvollen Pfingstrosen durchsetzt, gerade dann, wenn auch die locker verteilten und auch im Spalier gebundenen Obstbäume schäumend weiß oder zartrosa blühen.

Garten 18. Der verwildertste Garten von allen in Schellenbeck-Süd und Schellenbeck-Nord; und gerade deshalb der Lieblingsgarten meiner Freundin Annette. Aber beileibe kein idyllischer „Naturgarten“ mit kniehohem Wildrasen unter knorrigem Sanddorn und Quitten, Wildkräutern, Wildblumen und Wildbienen. Eher der verwahrloste Typ. Dem auch egal ist, wo die Mülltonnen stehen und der Gartenschlauch liegt. Halt da, wo sie zuletzt gebraucht wurden. Trotzdem, es blühen auch hier im Sommer duftend die Rosen, hypnotisch der Jasmin und feurig die Schwarzäugige Susanne. Der neue Pächter von Garten 17 (leider musste die ältere Dame, die ihren wunderschönen Garten in über zwanzig Jahren liebevoll angelegt hatte, diesen aus Altersgründen abgeben) ärgert sich allerdings über das sich selbst überlassene Unkraut, das sich unreguliert auf seiner Parzelle aussamt. Selbst in den Hochbeeten.

Garten 19. Ein Eckgarten mit kaum Einsichtmöglichkeiten. Diverse Sträucher sind zu hohen Hecken zusammengewachsen, einzig ein hoher Kirschbaum, der letzten Sommer trotz Jahrhunderthitze, dank Bewässerung, knackig dunkelrote Süßkirschen trug, ist nicht zu übersehen; so wie der Fahnenmast, von dem die Deutschlandflagge heute schlaff herunterhängt. Hier teilt sich der Kiesweg. Gehe ich links Richtung Vereinsheim und Karpfenteich oder rechts weiter hinauf, bis ich von Schellenbeck-Nord aus die letzten Strahlen der Abendsonne erhasche und bis hinüber nach Hölken und Langerfeld schauen kann? Ich gehe rechts.

Vita

Hung-min Krämer, geboren 1965 in Tübingen, lebt seit 2017 Wuppertal. Aus der anfänglichen Zurückhaltung ist inzwischen Begeisterung geworden. Wuppertal kommt ihr vor wie das versunkene Atlantis im Grünen und alle seine Bewohner wie Angehörige einer unbekannten, aber hochentwickelten Spezies. Sie schreibt Lyrik und Prosa.