Autor*innen-Porträts

Heinrich Heine

13. Dezember 1797 – 17. Februar 1856

Heinrich Heine

Autor und Ort

Heinrich Heine kam im Hintergebäude des Hauses, das zur heutigen Nr. 53 gehört, im Herzen der Düsseldorfer Altstadt, zur Welt. Er besuchte die städtische Grundschule und das Düsseldorfer Lyzeum, die jeweils zum ehemaligen Franziskanerkloster an der Citadellstraße / Ecke Schulstraße gehörten. Als Kind verbrachte er viel Zeit auf dem Dachboden seines Onkels Simon in der Mertensgasse, nur einen Steinwurf entfernt vom Haus der Eltern. Dort stöberte er in alten Büchern über Alchemie und Philosophie und las faszniert die Aufzeichnungen einer seiner Großonkel, der den Orient bereist hatte. Im naheliegenden Hofgarten erlebte er 1811 den Einzug Napoleons in Düsseldorf. 1815 verließ Heine seine Heimatstadt und kehrte nur 1819 und 1820, als Student, kurz zu Besuchen zurück. Geistig und literarisch aber ist er der Stadt am Rhein auch in der Ferne verbunden geblieben, wie auch ein Pseudonym beweist, das er nach dem Weggang benutzte: „Sy Freudhold Riesenharf“, ein Anagramm von „Harry Heine Duesseldorff“. Die Stadt, die sich (nicht als einzige) lange Zeit mit einer Ehrung Heines schwertat, würdigt ihren wohl bekanntesten Sohn heute auf vielfältige Weise – neben einer Plakette am Geburtshaus, Denkmälern am Schwanenmarkt und an der Universität, die zudem seit 1988 nach ihm benannt ist, gibt es unter anderem den alle zwei Jahre verliehenen Heine-Preis sowie das 1970 gegründete Heinrich-Heine-Institut, das mit seinem Archiv eine der wichtigsten Anlaufstellen der internationalen Heine-Forschung ist.

Leben und Werk

An welchem Tag, in welchem Jahr, Harry, so sein Geburtsname, Heine geboren wurde, ist nicht hundertprozentig geklärt. In der Forschung gilt der 13. Dezember 1797 als wahrscheinlichstes Datum. Die Mutter stammte aus der angesehenen Düsseldorfer Bankiers- und Gelehrtenfamilie van Geldern, der Vater Samson Heine aus einer strenggläubigen norddeutschen Kaufmannsfamilie. Die Eltern gehörten der kleinen jüdischen Gemeinde an, die kaum ein Dutzend Familien zählte. Seine Herkunft, sein wenig gebräuchlicher Vorname und sein rötliches Haar machten ihn zur Zielscheibe von jugendlichem Hohn und Spott.



Im Juni 1816 zog Heine für zwei Jahre nach Hamburg. Dort absolvierte er im Bankhaus seines Onkels Salomon eine kaufmännische Lehre. 1817 wurden seine ersten Gedichte gedruckt, die der Cousine Amalie gelten. 1818 richtete ihm sein Vater in zentraler Lage Hamburgs eine Kommissionshandlung für englische Manufakturwaren ein. In Düsseldorf nicht abgesetzte Waren sollten hier verkauft werden. Doch schon ein Jahr später musste Samson Heine hoher Schulden wegen sein Textilgeschäft in Düsseldorf aufgeben, wodurch auch Heines Hamburger Kaufmannskarriere ein jähes Ende nahm.



Aufgrund der großzügigen Unterstützung seines Onkels konnte sich Heine im Wintersemester 1819/20 als Student der Rechtswissenschaft an der Universität in Bonn einschreiben. Sein juristisches Studienziel verfolgte er nur beiläufig; vorrangig belegte er Vorlesungen über altdeutsche Literatur und Geschichte. Schon bald wurde er in die Burschenschaft aufgenommen, die damals die einzige Gruppierung war, die entschieden an der Forderung nach einem freien und geeinten Deutschland festhielt. Nach zwei Semestern wechselte er an die Universität Göttingen, die er wiederum ein Semester später in Richtung Berlin verließ. In diese Zeit fielen seine ersten literarischen Erfolge. 1824 kehrte Heine an die Universität Göttingen zurück, wo er 1825 sein schriftliches Doktorexamen ablegte. Wenige Tage vor der abschließenden mündlichen Prüfung ließ er sich im benachbarten Heiligenstadt evangelisch taufen, wobei er den Vornamen Heinrich annahm. Damit schaffte Heine zunächst nicht mehr und nicht weniger als die Voraussetzung zur beruflichen Integration. Seine Hoffnungen auf eine Staatsanstellung oder eine Advokatur erfüllten sich indessen nicht.



1827 erschien das Buch der Lieder. Dass es einmal zu einem Kultbuch werden würde, war damals nicht abzusehen. Es waren die ein Jahr zuvor veröffentlichten Reisebilder, die Heines Namen beim deutschen Publikum populär machten. Unmittelbar vor der französischen Revolution von 1830 wurden sie zum Prototyp einer Denk- und Schreibweise, an die nachfolgende Schriftstellergenerationen unmittelbar anknüpfen konnten.



Im Mai 1831 verlegte Heine seinen Wohnsitz nach Paris. Dort wurde er schnell mit führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bekannt. In seiner Nachbarschaft lebten viele bedeutende Künstlerinnen und Künstler, darunter George Sand, Frédéric Chopin und Eugène Delacroix. Seine Lebensgefährtin wurde ein junges Bauernmädchen, das es aus der Provinz nach Paris verschlagen hatte und das er umgehend mit einem eigenen Namen belegte: Mathilde. Seit 1836 lebte das Paar zusammen.



Die Übersiedlung nach Paris eröffnete Heine die Möglichkeit zu umfassender publizistischer Betätigung. Dadurch verlagerte sich der Schwerpunkt seiner literarischen Arbeit zunächst auf journalistische und literarische Prosa. Sein Hauptanliegen als politischer Publizist war die gegenseitige Aufklärung der angeblichen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich.

Mit seinen kritischen Deutschlandschriften erregte Heine die persönliche Aufmerksamkeit des preußischen Innenministers, der einen seiner Texte als kriminelles Meisterstück „in Beziehung auf Styl und Darstellung“ bezeichnete. Auf Anordnung des österreichischen Staatskanzlers Metternich holten die Behörden des Deutschen Bundes wenig später zu einem entscheidenden Schlag gegen die kritische Literatur aus: Mit dem Bundestagsbeschluss vom 10. Dezember 1835 wurde zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine Gruppe von Autorinnen und Autoren per Dekret an der Fortsetzung ihrer literarischen Tätigkeit gehindert oder zumindest – und das auf Jahre – großen Beschränkungen unterworfen.

In einer großangelegten Auseinandersetzung mit Ludwig Börne, seinem republikanischen Antipoden und Weggefährten des Exils, versuchte Heine fünf Jahre später eine politische wie literarische Neubestimmung seines Standorts. Danach wandte er sich wieder stärker der Versdichtung zu. Parallel entstanden die beiden großen Versepen: Während sich das humoristische Tierepos Atta Troll (1843/1847) als „phantastisch zweckloses", romantisches „Waldlied“ gibt, stellt Deutschland. Ein Wintermärchen (1844) eine scharfe Satire der deutschen Zustände dar. Es ist Heines eingehendster und brisantester Beitrag zur Deutschland- und Preußendiskussion der vierziger Jahre. Heine entwirft darin ein düsteres Bild von Deutschlands Gegenwart und ein noch dunkleres von seiner Zukunft.



Das Scheitern der von ihm mit großen Hoffnungen begleiteten Revolution in Frankreich ging mit einer rapiden Verschlechterung von Heines Gesundheitszustand einher. Ende Mai 1848 streckte ihn eine Lähmung für immer nieder und machte ihn zum Gefangenen seines häuslichen Krankenzimmers, das er selbst als „Matratzengruft“ bezeichnet. Obgleich oft tagelang von Schmerzen erschöpft und vom Morphium betäubt, bewiest Heine selbst in seiner Krankheitsperiode eine ungebrochene Produktivität. Im Sommer 1851 konnte er überraschend mit einem neuen Gedichtband, dem Romanzero, hervortreten. Als neue Stoffbereiche werden darin die jüdische Tradition sowie die Geschichte ferner Länder und ferner Zeiten erschlossen.



Heinrich Heine starb am am Morgen des 17. Februar 1856. Still, prunklos, ohne religiöses Zeremoniell und ohne eine einzige Traueransprache fand am 20. Februar 1856 auf dem Pariser Friedhof Montmartre die Beisetzung statt. Heute gilt Heine als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, die Werke kaum eines anderen Dichters deutscher Sprache wurden so häufig übersetzt und vertont.

Von Jan-Christoph Hauschild

Reisebilder (Auszug, 1827)

Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt, und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müßte ich gleich nach Hause gehn. Und wenn ich sage nach Hause gehn, so meine ich die Bolkerstraße und das Haus, worin ich geboren bin. Dieses Haus wird einst sehr merkwürdig seyn, und der alten Frau, die es besitzt, habe ich sagen lassen, daß sie bey Leibe das Haus nicht verkaufen solle. Für das ganze Haus bekäme sie jetzt doch kaum so viel wie schon allein das Trinkgeld betragen wird, das einst die grünverschleyerten, vornehmen Engländerinnen dem Dienstmädchen geben, wenn es ihnen die Stube zeigt, worin ich das Licht der Welt erblickt, und den Hühnerwinkel, worin mich Vater gewöhnlich einsperrte, wenn ich Trauben genascht, und auch die braune Thüre, worauf Mutter mich die Buchstaben mit Kreide schreiben lehrte – ach Gott! Madame, wenn ich ein berühmter Schriftsteller werde, so hat das meiner armen Mutter genug Mühe gekostet.

(zitiert nach: Heinrich Heine: Reisebilder Zweyter Theil. Ideen. Das Buch Le Grand. Capitel VI. In: Manfred Windfuhr: Heinrich Heine. Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, Bd. 6. Hoffmann und Campe, Hamburg 1973, S. 181-182.)