Leben und Werk
Zuweilen wird ein Autor in seinem öffentlichen Nachhall mit nur einem seiner Werke verbunden, das besonders berühmt wurde. So verhält es sich auch bei Johann Esser, geboren 1896 in Wickrath, heute ein Stadtteil von Mönchengladbach. Esser nämlich ist der Schöpfer des Liedes Die Moorsoldaten, das einen beispiellosen Siegeszug durch die Welt angetreten hat. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt, zweimal vertont und über die Jahrzehnte hinweg von vielen Sängerinnen und Sängern interpretiert, angefangen bei Ernst Busch über die amerikanische Protestsängerin Joan Baez bis zur Rockband Die Toten Hosen.
Das Lied ist 1933 entstanden, und zwar im NS-Konzentrationslager Börgermoor im Emsland. Johann Esser war als Mitglied der KPD dort von den Nazis interniert worden. Die Gefangenen mussten im Moor schwere körperliche Arbeit leisten. Eines Tages genehmigte die Lagerleitung einen bunten Unterhaltungsnachmittag. Mithäftlinge sprachen den Autor Johann Esser an, ob dieser nicht ein Lied beisteuern könne, das sowohl das Lebensgefühl der Gefangenen aufgreife, als auch die Zensur durch die Lagerleitung passieren würde. Esser schuf ein mehrstrophiges Lied, das von harter Arbeit, der Sehnsucht nach der Familie und der Hoffnung auf die Entlassung handelte. Der Mithäftling Rudi Goguel schrieb die Melodie dazu. Später berichteten Insassen davon, dass bei der Aufführung die Mithäftlinge begeistert mitsangen und sich sogar die Wärter dem Gesang anschlossen. Der Düsseldorfer Mithäftling Wolfgang Langhoff, der an dem Text mitgewirkt hatte, machte das Lied 1935 durch ein autobiografisches Buch, das in Zürich erschien, auch im Ausland bekannt. Der emigrierte Komponist Hanns Eisler vertonte den Text neu.
Urheber Johann Esser besuchte in Rheydt die Volksschule. Danach arbeitete er ohne Ausbildung in einer Spinnerei und später als Bergmann in Rheinhausen. Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat. 1924 trat Esser in die KPD ein und betätigte sich als Agitator. Daneben schrieb er Gedichte und Erzählungen. Seine Themen entstammten der Arbeitswelt. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wurde Esser verhaftet, nach eineinhalb Jahren wieder entlassen. Doch war es schwer, Arbeit zu finden, weshalb die Familie große Not litt. Dies mag der Grund sein, weswegen Esser im Zweiten Weltkrieg auch regimekonforme Texte schrieb. Nach dem Krieg engagierte er sich wieder gewerkschaftlich, brach aber mit dem Kommunismus. In Zeitungen veröffentlichte er viele Gedichte und festigte seinen Ruf als „Arbeiterdichter“.
Johann Esser starb am 2. September 1971 in Moers.
Von Ernst Müller
Die Moorsoldaten (1933)
Wohin auch das Auge blicket,
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquicket,
Eichen stehen kahl und krumm.
Wir sind die Moorsoldaten
und ziehen mit dem Spaten
ins Moor!
Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir fern von jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.
Wir sind die Moorsoldaten...
Morgens ziehen die Kolonnen
in das Moor zur Arbeit hin.
Graben bei dem Brand der Sonne,
doch zur Heimat steht der Sinn.
Wir sind die Moorsoldaten...
Heimwärts, heimwärts jeder sehnet
zu den Eltern, Weib und Kind.
Manche Brust ein Seufzer dehnet,
weil wir hier gefangen sind.
Wir sind die Moorsoldaten...
Auf und nieder gehn die Posten,
keiner, keiner kann hindurch.
Flucht wird nur das Leben kosten,
vierfach ist umzäunt die Burg.
Wir sind die Moorsoldaten...
Doch für uns gibt es kein Klagen,
ewig kann's nicht Winter sein.
Einmal werden froh wir sagen:
Heimat, du bist wieder mein.
Dann ziehn die Moorsoldaten
nicht mehr mit dem Spaten
ins Moor!
(zitiert nach: „Weiß ich, was ein Mensch ist?“ Lieder gegen das Vergessen. 2 CDs, DIZ Emslandlager, Papenburg 1997.)