Literatur will (vor-)gelesen werden – und neben den Literaturhäusern und Literaturbüros in NRW sorgen freie Veranstalter:innen dafür, dass das auch passiert. Einer davon ist der Land in Sicht e.V., der unter anderem die gleichnamige Lesereihe ausrichtete. Doch jetzt haben André Patten (Bild: Erster von links, bei jüngster Veranstaltung) und seine Mitstreiter:innen die letzte Ausgabe über die Bühne gebracht. Zeit für einen Blick zurück. Und einen nach vorne.
Zehn Jahre und einen Tag nach der ersten Ausgabe fand am 17. Oktober 2024 die letzte Ausgabe von LAND IN SICHT statt. Es war ein wirklich schöner letzter Abend im Kulturraum405. Es lasen Mirjam Kay Mashkour, Martin Piekar, Leyla Bektas und Patrik Peyn – Patrik beendete mit seiner Lesung die Reihe, nachdem er sie im Oktober 2014 eröffnet hatte. So schließt sich der Kreis!
Veranstaltungsformate haben oft "ihre Zeit". Wir wollten den richtigen Zeitpunkt für die letzte Ausgabe nicht verpassen und dachten uns: Warum nicht aufhören, wenn es am schönsten ist? Und wo wir gerade bei geflügelten Worten sind: Niemals geht eine Lesereihe so ganz. Aus LAND IN SICHT ist der gleichnamige Verein entstanden, der auch andere Literaturformate wie die SHORT STORY NIGHT veranstaltet. Insofern geht die Lesereihe in anderer Form ja irgendwie weiter.
Das stimmt! Seit 2014 und vor allem seit 2023 sind in Köln eine Vielzahl neuer literarischer Formate entstanden. Ob das für den undefinierten Titel „Literaturstadt“ reicht, muss jede:r für sich selbst entscheiden. Was Köln aber immer mehr zu werden scheint, ist ein Epizentrum literarischer Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum. Und das ist vielleicht schon ein halber Schritt auf dem Weg zur Literaturstadt.
Als wir mit LAND IN SICHT begonnen haben, war an die Fülle und Vielfalt der literarischen Formate, die heute in Köln stattfinden, nicht zu denken. Mit Blick auf andere – ich nehme den Begriff jetzt wieder auf – Literaturstädte in Deutschland wird besonders deutlich, wie viel sich seit Mitte der 2010er Jahre getan hat.
Um nur einige Beispiele zu nennen: Zwei Studiengänge für Kreatives Schreiben wurden eingerichtet, neue Festivals wie die Poetica und das ELK wurden gegründet und haben neben der Lit.Cologne ihren festen Platz im Kölner Literaturkalender gefunden. Daneben gibt es eine Vielzahl – ich kann gar nicht sagen, wie viele es inzwischen sind – von Lesereihen. Das reicht vom Evergreen der Kölner Lesereihen, dem Literaturklub, über die Lesereihen der Schreibstudiengänge bis hin zu den unruly readings, die seit diesem Jahr literarische Performances mit kulinarischen Erlebnissen verbinden.
Natürlich ging die Corona-Pandemie nicht spurlos an der freien Literaturszene in Köln vorbei. Die Auswirkungen konnten jedoch durch verschiedene Förderprogramme für Kulturschaffende sinnvoll abgefedert werden. Die Vielfalt der literarischen Veranstaltungen, die es auch deshalb heute in Köln gibt, geht einher mit einer insgesamt vielfältiger gewordenen Kölner Literaturszene. Diese sehr positive Entwicklung steht jedoch vor einer neuen Herausforderung.
Die drohenden Kürzungen in den öffentlichen Haushalten könnten 2025 alle Kultursparten hart treffen - und hart treffen bedeutet für freie Kulturakteur:innen immer: besonders hart. Denn wer ohne feste Anstellung Literatur schreibt, Literatur organisiert oder über Literatur berichtet, fällt nicht auf sicheren Boden – sondern in finanzielle Not. Die Gefahr ist groß, dass viele der neu entstandenen, wertvollen Literaturformate wieder verloren gehen. Mit dem Epizentrum wäre es dann schon wieder vorbei.
Wir haben gerade über die Corona-Pandemie gesprochen und über die Förderprogramme für Kulturschaffende – die kamen ja nicht nur von den Städten, sondern vor allem vom Land und vom Bund. Wir müssen also bei den Kürzungen auf alle Ebenen schauen – und leider sieht es auf allen Ebenen nicht gut aus. Deshalb ist es für uns als Kulturschaffende wichtig, das zu tun, was das Kulturnetz Köln derzeit mit Nachdruck tut: deutlich zu machen, dass die Vielfalt der gesamten Kölner Kulturszene auf dem Spiel steht.
André Patten schreibt und veranstaltet Literatur. 2014 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Kölner LAND IN SICHT e.V., seit 2023 gehört er dem Vorstand der Literaturszene Köln an. 2021 erschien der Erzählband “So glücklich war ich noch nie” in der parasitenpresse.