Jedes Jahr veröffentlicht der Deutsche Buchpreis eine Longlist mit Nominierungen – und 2024 sind zwei Autorinnen aus dem Rheinland dabei. Darunter Ulla Lenze: Die gebürtige Mönchengladbacherin lebt zwar schon lange in Berlin, studierte aber noch in Köln und kehrte auch erst kürzlich als Bonner Stadtschreiberin in die Region zurück. Vor allem veröffentlichte sie bereits zahlreiche Romane und erhielt dafür ebenso zahlreiche Auszeichnungen. Der Buchpreis für Das Wohlbefinden wäre trotzdem sicher etwas besonderes – wir haben ihr fünf Fragen dazu gestellt.
Ich war an dem Tag so nervös, dass ich eine Freundin anrief, die zum Glück in derselben Straße wohnt. Sie ließ netterweise alles stehen und liegen und ging mit mir zwei Stunden durch den Wald spazieren. Als ich gerade die Haustür aufschluss, kam der Anruf. Das war eine ziemliche Erlösung.
Die Heilstätten Beelitz entdeckte ich im ersten Pandemiesommer 2020. Die Parallelen zur damaligen Situation waren auffällig: Wie Covid-19 war auch die Tuberkulose hochansteckend und erforderte besondere staatliche Maßnahmen. Die Heilstätten galten einst als die modernsten und fortschrittlichsten Europas, bemerkenswerterweise für Arbeiterinnen und Arbeiter, die hier auf Privatpatientenniveau behandelt wurden. Sie liegen unweit von Berlin und können heute teilweise besichtigt werden, während ein anderer Teil bereits zu Wohnraum saniert wurde. Beeindruckend ist die intelligente Architektur, die sich ganz den menschlichen Bedürfnissen anpasst: Geheizte Gehwege für eisfreie Winter, abgerundete Türrahmen für leichteres Verschieben von Betten, nach Süden ausgerichtete Sonnenterrassen und sogar Elektroautos zur Vermeidung von Lärm und Abgasen - Innovationen, die in der heutigen Zeit wieder hochaktuell sind.
Zum einen das Thema Gesundheit und Heilung. In Beelitz zeigt sich zudem eine Art soziale Utopie durch die umfassende Fürsorge - ein interessanter Kontrast zu heutigen Entwicklungen. Die damalige Zeit war geprägt von Umbrüchen: Arbeiter- und Frauenbewegung, aber auch alternative Lebensmodelle und spirituelle Suchbewegungen. Von den Séancen des Kaiserreichs zu den Meditations-Apps heute: Es geht um die Frage, welchen Stimmen wir in unserer Suche nach Wohlbefinden und Heilung folgen.
Das Wohlbefinden war damals die zentrale Therapieform, in Ermangelung eines Medikaments gegen die Tuberkulose. Ursprünglich war das mein Arbeitstitel. Der Verlag fand ihn gut und ich dann schließlich auch.
Dass man sich für Geist und Geister interessiert und mein Roman etwas bietet, was vielleicht nicht tagtäglich Thema ist. Aber ich kann mühelos eine Liste mit 6 Titeln erstellen, auf der mein Buch nicht vorkommt - es ist, finde ich, eine sehr starke Longlist.
Auf dem Longlist-Abend in Hamburg haben am Ende die Autorinnen Doris Wirth, Ruth-Maria Thomas und ich gegenseitig unsere Bücher gekauft und einander zum Signieren hingeschoben. Die liegen jetzt hier - ich fand schon die Leseproben großartig - und sobald es etwas ruhiger wird, starte ich mit der Lektüre.